08.03.2018

Wenn Teilchen aneinander haften

Gesetz der Teilchendynamik granularer Gase präzisiert.

Die kinetische Energie von Teilchen in granularen Gasen, etwa Staub­wolken, kann temporär steigen, obwohl dem System stetig Energie ent­zogen wird. Das konnte jetzt ein inter­natio­nales Forscher­team erst­mals zeigen. Die Wissen­schaftler präzi­sieren damit das vor 35 Jahren formu­lierte haff­sche Gesetz, nach dem die granu­lare Tempe­ratur in geschlos­senen Systemen stetig abnimmt. Granu­lare Gase sind Systeme, die in geringer Dichte makro­sko­pische Teil­chen ent­halten. Beispiele sind kosmischer Staub, die Planeten­ringe um Saturn, Uranus und Neptun, aber auch auf­ge­wirbelte irdische Staub­wolken.

Abb. Künstlerische Darstellung eines granu­laren Gases. (Bild: T. Pöschel, FAU)

Sie lassen sich wie molekulare Gase, etwa Helium, beschreiben – mit einem wichtigen Unter­schied: Granu­lare Partikel kolli­dieren nicht elastisch mit­ein­ander. „In iso­lierten granu­laren Gasen ohne externe Energie­zufuhr nimmt die Bewegungs­energie der Teil­chen auf­grund der Zusammen­stöße stetig ab, deshalb sinkt auch die granu­lare Tempe­ratur“, erklärt Thorsten Pöschel von der Uni Erlangen-Nürnberg. „Dieses Kühl­gesetz ist seit 1983 bekannt und eine der zentralen Erkennt­nisse der Kinetik granu­larer Gase.”

Das haffsche Gesetz der granularen Kühlung lässt jedoch einen Aspekt unbe­rück­sich­tigt: Insbe­son­dere in Systemen mit sehr kleinen Teil­chen im Mikro­meter­bereich kommt es durch ver­schiedene Kräfte, beispiels­weise durch Ober­flächen­adhäsion oder elektro­statische Ladungen zu Zusammen­haftungen der Partikel. „Auf­grund dieser Aggre­ga­tionen wachsen die Teil­chen und ver­ändern ihre Eigen­schaften. Zugleich sinkt ihre Zahl im System und damit auch die Zahl der Frei­heits­grade für die Teil­chen­bewe­gung“, sagt Pöschel. „Unsere Ver­mutung war, dass sich dadurch temporär die granu­lare Tempe­ratur erhöhen kann, obwohl bei jedem Stoß mecha­nische Energie ver­loren geht.“

Genau diesen kontraintuitiven Effekt konnten Pöschel und seine Kollegen in auf­wändigen Simu­la­tionen nach­weisen. Dafür haben die Forscher etab­lierte Methoden ange­wandt und weiter­ent­wickelt, etwa die analy­tische Mathe­matik für die Kinetik der Gas­eigen­schaften und die Monte-Carlo-Simu­la­tion. „Mit einem neu­artigen System kine­tischer Gleichungen und ent­sprechender Skalie­rungs­lösungen ist es uns erst­mals gelungen, die Dynamik der Teil­chen­aggre­ga­tion in granu­laren Gasen zuver­lässig abzu­bilden“, so Pöschel. „Wir haben das haff­sche Gesetz keines­falls revi­diert, aber einen wichtigen Effekt nach­ge­wiesen, der bis­lang unbe­rück­sich­tigt blieb.“ Die Ergeb­nisse der Wissen­schaftler könnten dabei helfen, die grund­legenden Eigen­schaften granu­larer Gase besser zu ver­stehen – sei es bei irdischen Effekten wie der Ruß­agglo­me­ra­tion in Rauch­gasen oder bei astro­physi­ka­lischen Phäno­menen wie kosmischem Staub in plane­taren Ringen.

FAU / RK

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