13.01.2014

Wer zieht an der Milchstraße?

Forscher vermuten eine riesige Masse, die die lokale Galaxiengruppe beschleunigt.

Die Lokale Gruppe, in der sich unser Milchstraßensystem befindet, rast mit rund zwei Millionen Stundenkilometern durch das Weltall. Wissenschaftler rätseln, was die Ursache für diese kosmische Raserei ist. Ein internationales Forscherteam aus den USA, Frankreich, Australien und China unter Beteiligung der Physiker der Universität Bonn kommt nun zu dem Schluss, neben dem gigantischen Shapley-Superhaufen bringe eine weitere riesige Masse mit ihrer Gravitation die Lokale Gruppe auf Touren.

Abb.: Das Universum in bis zu einer Milliarden Lichtjahre Entfernung von der Erde. Der Shapley-Superhaufen befindet sich rechts von der Milchstraße. (Bild: R. Powell)

Mit der Andromeda-Galaxie, dem Dreiecksnebel (M33) und kleineren Galaxien bildet das Milchstraßensystem die Lokale Gruppe. „Der Grund für die rasante Fahrt und die Ursache für ihre Bewegungsrichtung sind bis heute nicht schlüssig erklärt“, sagt Marek Kowalski von der Universität Bonn. Das Forscherteam hat jedoch einen Ansatz gefunden, wie sich das Bewegungsprofil der Lokalen Gruppe erklären ließe. In dem Konsortium ist auch Saul Perlmutter vertreten, der im Jahr 2011 den Physik-Nobelpreis erhielt.

Im Rahmen des Supernova-Factory-Projekts nutzte das Wissenschaftlerteam mehr als 100 Supernovae-Beobachtungen vom Typ Ia mit dem 2,2-Meter-Teleskop der Universität Hawaii auf dem Gipfel des Vulkans Mauna Kea. Die Forscher verwendeten sie als eine Art Leuchttürme im All: „Anhand ihrer Helligkeit können wir feststellen, wie weit entfernt die Supernovae sind und mit welcher Geschwindigkeit sie sich im Weltraum bewegen“, erklärt Marek Kowalski.

Wie bei einer Zwiebel teilten die Forscher den Weltraum um die Erde in einzelne kugelförmige Schalen auf und bestimmten anhand der sich darin befindenden Supernovae die Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung dieser Teilräume. „Unsere Hypothese war, dass für die Bewegung der Lokalen Gruppe die Anziehungskraft einer gigantische Masse die Ursache ist“, sagt Ulrich Feindt, Doktorand bei Kowalski und Erstautor der Studie. In der Vorzugsrichtung der durch das Universum rasenden Lokalen Gruppe befindet sich der Shapley-Superhaufen (SCI 124), die größte Ansammlung von Sternensystemen in einer Entfernung von 650 Millionen Lichtjahren zur Milchstraße.

„Unsere Berechnungen ergaben jedoch, dass die Gravitation des Shapley-Superhaufens nicht ausreicht, um das Geschwindigkeitsprofil der Lokalen Gruppe zu erklären“, berichtet Kowalski. „Wir müssten eine zweite, noch einmal annähernd gleichgroße Masse hinzufügen, um auf die erforderliche Anziehungskraft zu kommen.“ Die Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei dieser rätselhaften gigantischen Masse um eine lockere Ansammlung verschiedener Galaxien handeln könnte, der sogenannten Sloan Great Wall. Die Gravitation dieser Agglomeration und des Shapley-Superhaufens zusammen könnten nach den Erkenntnissen der Forscher sowohl die Geschwindigkeit als auch die Bewegungsrichtung der Lokalen Gruppe erklären.

Die Studie ist die bislang umfassendste zum Thema. Das internationale Forscherkonsortium verwendete ein Schalenmodell und Daten, die nahezu doppelt so tief in den Weltraum hineinreichen wie die vorangegangener Arbeiten. „Wir konnten damit zeigen, dass Strukturen in rund einer Milliarde Lichtjahre Entfernung noch einen Einfluss auf die Bewegung der Lokalen Gruppe haben“, sagt Kowalski.

U. Bonn / DE

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