01.04.2021

Wie Eiweiß weiß wird

Röntgenanalysen zeigen Strukturveränderungen beim Erwärmen im Detail.

Eier gehören zu den vielfältigsten Zutaten für Lebens­mittel. Sie können Gel, Schaum oder vergleichs­weise fest sein und dienen auch als Grundlage für Emulsionen. Bei etwa achtzig Grad Celsius wird Eiweiß („Eiklar“) fest und auch optisch undurch­sichtig. Das liegt daran, dass die Proteine in dem Eiweiß bei Erhitzen eine Netzstruktur ausbilden. Um die genaue molekulare Struktur von Eiweiß zu untersuchen, ist kurzwellige Strahlung wie Röntgen­licht nötig, die das undurch­sichtige Eiweiß durch­dringt und deren Wellen­länge nicht größer ist als die zu unter­suchenden Strukturen.
 

Abb.: Beim Erhitzen bilden die Proteine im ursprünglich transparenten...
Abb.: Beim Erhitzen bilden die Proteine im ursprünglich transparenten Hühner­eiweiß ein engmaschiges, undurch­sichtiges Netz. (Bild: G. Born / DESY)

„Um die Strukturänderung im Detail zu verstehen, muss man das Phänomen auf der Mikrometer-Skala untersuchen“, erläutert die Hauptautorin der ersten Studie, Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin Nafisa Begam aus Schreibers Gruppe. Die Forscher benutzten die Röntgen­photonen-Korrelations­spektroskopie (XPCS) in einer bestimmten Geometrie, so dass sich damit Struktur und Dynamik der Proteine im Eiweiß zugleich bestimmen ließen.

Für ihre Versuche an der Messstation P10 an PETRA III verwendeten die Wissenschaftler ein handelsübliches Hühnerei und füllten das Eiweiß in ein Quarz­röhrchen mit 1,5 Millimetern Durchmesser. „Darin wurde das Eiweiß kontrolliert erhitzt, während wir es mit Röntgenlicht analysiert haben“, berichtet Ko-Autor Fabian Westermeier von DESY. „Der Röntgenstrahl war dabei auf 0,1 mal 0,1 Millimeter aufgeweitet, so dass die Strahlungs­dosis die Protein­strukturen nicht geschädigt hat.“

Die Messung zeigt die Proteindynamik im Eiweiß über rund eine Viertelstunde. In den ersten knapp drei Minuten wuchs das Proteinnetzwerk demnach exponentiell und erreichte nach etwa fünf Minuten ein Plateau, auf dem sich nahezu keine weiteren Protein­verknüpfungen mehr formten. Die mittlere Maschengröße des Protein­netzes lag nach dieser Zeit bei ungefähr 0,4 Mikrometern.

In der zweiten Studie untersuchte das Team mit der XPCS-Technik die Selbst­organisation von Proteinlösungen in protein­reiche und protein­arme Domänen als Beispiel von Struktur­bildung in der Zellbiologie. Dabei ließ sich die temperatur­abhängige Dynamik zeitabhängig verfolgen. „Bei hoher Protein­konzentration sinkt die Mobilität, was die Entwicklung der Phasen­trennung bremst. Das ist wichtig für die besondere Dynamik des Systems“, berichtet Hauptautorin Anita Girelli aus Schreibers Gruppe.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studien zeigen nicht nur neue Details zur Struktur­änderung in Eiweiß, sondern belegen ebenso das Untersuchungs­konzept, das auch bei anderen Proben Verwendung finden kann, wie die zweite Studie belegt. „Die erfolgreiche Anwendung der Röntgen­photonen-Korrelations­spektroskopie eröffnet einen neuen Weg zur Untersuchung der Dynamik von Biomolekülen, was unerlässlich ist, um sie wirklich zu verstehen“, betont Schreiber.

DESY / DE
 

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