Wie erdähnliche Planeten entstehen
Wirbel am inneren Rand einer planetenbildenden Scheibe aufgespürt.
Die Entstehung von Planeten in der Nähe ihrer Zentralsterne durch Beobachtungen zu erforschen, war bisher eine große Herausforderung. Innerhalb einer internationalen Zusammenarbeit haben Wissenschaftler des MPI für Astronomie in Heidelberg ein neues Instrument namens MATISSE eingesetzt, das jetzt Hinweise auf einen Wirbel am inneren Rand einer planetenbildenden Scheibe um einen jungen Stern gefunden hat. Er scheint sich auf einer Umlaufbahn um seinen Stern zu bewegen. Astronomen gehen davon aus, dass solche Wirbel Orte sind, an denen kleine Teilchen zusammenströmen und wachsen, um die Bausteine von Planeten zu produzieren.
Der Wirbel zeigte sich in den Beobachtungen Scheibe des jungen Sterns HD 163296 mit dem „Multi Aperture Mid-Infrared Spectroscopic Experiment“ am Very Large Telescope Interferometer der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile als heißer Fleck, der eine Asymmetrie am inneren Rand der Scheibe erzeugt. Unter Einbeziehung veröffentlichter Daten schlossen die Wissenschaftler, dass er den Stern etwa innerhalb eines Monats umkreist. Theoretische Berechnungen sagen das Auftreten von Wirbeln in Scheiben voraus, in denen Material wie ein Tornado herumwirbelt und Staub anhäuft.
„Die höhere Staubdichte bewirkt ein schnelleres Wachstum der Staubkörner als irgendwo sonst in der Scheibe. Das könnte diese Wirbel zu effizienten Fabriken für die Herstellung der Bausteine zukünftiger Planeten machen“, erklärt Roy van Boekel, der das MATISSE-Projekt am MPIA managt. Einige der neu gebildeten Felsbrocken kollidieren unter hohen Geschwindigkeiten, wodurch das Material zu winzigen Körnern zermahlen wird. Diese können höhere Temperaturen erreichen als größere Steinchen, was der wahrscheinliche Ursprung des in den Daten gefundenen heißen Flecks ist.
Das MPIA hat zu einem internationalen Konsortium beigetragen, das MATISSE entworfen und gebaut hat. Am MPIA wurden die empfindlichen Optiken in einen Kryostaten integriert, der sie auf -235° C herunterkühlt. Die anschließenden Tieftemperatur-Leistungstests wurden ebenfalls am MPIA durchgeführt. MATISSE kombiniert das von bis zu vier einzelnen VLTI-Teleskopen gesammelte Licht und führt spektroskopische und bildgebende Beobachtungen durch. Damit simuliert die Anlage die Abbildungsleistung eines Teleskops mit einem Durchmesser von bis zu zweihundert Metern und ist in der Lage, die detailliertesten Bilder zu erzeugen, die es je im mittleren Infrarotbereich gab.
„Wir haben MATISSE bewusst dafür entworfen, die inneren Zonen von planetenbildenden Scheiben zu erforschen, die bisher mit den verfügbaren astronomischen Instrumenten nicht zugänglich waren“, betont Thomas Henning, Direktor am MPIA und einer der leitenden Wissenschaftler des MATISSE-Programms. „Die Entdeckung eines potenziellen Wirbels in der Scheibe von HD 163296 zeigt, dass wir die Prozesse untersuchen können, die erdähnliche Planeten in geringen Abständen vom Mutterstern erzeugen.“
MPIA / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Varga et al.: The asymmetric inner disk of the Herbig Ae star HD 163296 in the eyes of VLTI/MATISSE: evidence for a vortex?, Astron. Astroph. (im Druck); DOI: 10.1051/0004-6361/202039400 - Abt. Planeten- und Sternentstehung (T. K. Henning), Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg
- MATISSE – Multi-Aperture Mid-Infrared Spectroscopic Experiment, European Southern Observatory