08.12.2005

Wie knicken Nanoschichten?

Forscher aus Potsdam, Wien und Grenoble haben Veränderungen in gebogenen Hightech-Karbonfasern untersucht.


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Forscher aus Potsdam, Wien und Grenoble haben Veränderungen in gebogenen Hightech-Karbonfasern untersucht.

Potsdam - Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung konnten jetzt zusammen mit Kollegen von der Universität Wien und der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle in Grenoble das Phänomen des Knickens von Nanokristalliten in Kohlenstofffasern erstmals direkt beobachten. Die Ergebnisse zeigen, dass fehlende Querverbindungen zwischen den einzelnen Kohlenstoffschichten für das Knicken verantwortlich sind. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Herstellung von Hightech-Materialien aus Karbon.

Abb.: Mit einem nur 100 Nanometer feinen Röntgenstrahl als "Nanolupe" lassen sich Defekte und Veränderungen in Kohlenstofffasern im Detail untersuchen. (Bild: MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung)

Hochfeste, ultraleichte und elastische Materialien aus Karbon sind aus dem Hochleistungssport und aus der modernen Luft- und Raumfahrttechnik nicht mehr wegzudenken. Ob Tennisschläger, Rennsportreifen, Hitzeschutzschilder oder sogar Gitarren - Karbonfasern erobern eine wahrlich tragende Rolle in der Werkstoff-Technologie. Der Name bezieht sich dabei auf mikrometerdicke High-Tech-Fasern aus Kohlenstoff, die zur mechanischen Verstärkung anderer Materialien wie Polymere, Metalle oder Keramiken eingesetzt werden. Unter Zug sind solche Fasern zumeist fester als alle anderen bekannten Werkstoffe. Allerdings können Druckbelastungen parallel zur Faserachse zum Ausknicken von Kohlenstoffschichten auf der Nanometerskala führen. Dies ist vergleichbar mit dem Knicken eines langen dünnen Stabes unter Druck.

In einem neuartigen physikalischen Experiment an der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle in Grenoble haben die Forscher aus Potsdam und Wien mehrere, nur wenige tausendstel Millimeter dicke Kohlenstofffasern mit beiden Enden durch dünne Hohlnadeln gefädelt, sodass sich am Ende jeweils eine Schlaufe bildete. Dabei sind die Fasern an der Außenseite dieser Schlaufe gedehnt und an der Innenseite gestaucht mit einer unverformten, neutralen Zone dazwischen, ähnlich einem Biegebalken. Durch Ziehen an den Faserenden kann der Radius der Schlaufe und damit die Stärke der Zug- und Druckspannungen eingestellt werden. „Das Einzigartige an diesem Experiment“, sagt Oskar Paris vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, „ist der Umstand, dass wir uns viele Längenskalen gleichzeitig ansehen und damit dem Geheimnis des ‚Nanoknickens’ auf die Spur kommen konnten. Mit einem Röntgenstrahl von nur 100 Nanometer Breite, das entspricht einem zehntausendstel Millimeter, können wir die unterschiedlichen Verformungszonen entlang des Faserquerschnittes abtasten. Mit unserer ‚Nanolupe’ - der Beugung ebendieses Röntgenstrahls - konnten wir gleichzeitig die lokale Dehnung der nur wenige Nanometer dicken Kohlenstoffschichten sowie deren Orientierung in Bezug auf die Faserachse direkt ablesen.“

Hightech-Karbonfasern bestehen aus graphitähnlichen Kohlenstoffschichten mit starken kovalenten Bindungen der Atome innerhalb der Schichten und sehr schwachen, so genannten Van der Waals-Bindungen zwischen den Schichten. Fast alle physikalischen Eigenschaften dieser Materialien sind daher richtungsabhängig, insbesondere auch die mechanischen Eigenschaften. So sind die Steifigkeit bis zu fünffach und die auf gleiches Gewicht bezogene Festigkeit von Kohlenstofffasern unter Zug mehr als zehnfach höher als die von Stahl. Ihre Druckeigenschaften können damit allerdings nicht mithalten. Diese werden - zusätzlich zur Scherung einzelner Graphitschichten - insbesondere vom Auftreten einer mechanischen Instabilität unter Druck, also dem Knicken von Kohlenstoffschichten auf der Nanometerskala, bestimmt.

Manche Kohlenstofffasern weisen dennoch erstaunlich gute Schereigenschaften auf. Ein „Nanoknicken“ wird dann kaum beobachtet, was auf eine hohe Anzahl an starken Querverbindungen zwischen den Kohlenstoffschichten hindeutet. „Könnte man die üblicherweise sehr schwachen Bindungen zwischen den Kohlenstoffschichten gezielt durch solche kovalenten Querverbindungen verstärken, so wären neben manchen Karbonfasern wohl auch die viel gerühmten neuartigen Kohlenstoff-Nanoröhrchen bald reif für ihren Einsatz als Seile mit der höchsten Festigkeit der Welt“, stellt Herwig Peterlik von der Universität Wien fest.

Dies ist möglich, allerdings erst seit relativ kurzer Zeit und auch nur unter sehr hohem energetischem und finanziellem Aufwand durch so genannte Elektronenbestrahlung. Der hohe Preis ist auch der Grund, warum die relativ billig herzustellenden Kohlenstofffasern noch lange nicht von den modernen Nanoröhrchen abgelöst werden dürften. Warum aber solche wertvollen Querverbindungen bei der Herstellung von Hightech-Materialien in manchen Kohlenstofffasern entstehen und in manchen nicht, ist noch nicht vollständig geklärt.

Quelle: MPG \[KS/AT\]

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