05.09.2024

Wie Makromoleküle im All entstehen

Modell erklärt die Bildung organischer Moleküle in protoplanetaren Scheiben.

Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern hat mittels computerbasierter Modellierung und Beobachtungen eine Erklärung dafür gefunden, wie sich in den Gas- und Staubscheiben um junge Sterne in kurzer Zeit Makromoleküle bilden können. Diese Erkenntnisse könnten entscheidend sein für das Verständnis, wie Bedingungen für Leben um verschiedene Arten von Exoplaneten und Sternen entstehen können.


Abb.: Niels Ligterink
Abb.: Niels Ligterink
Quelle: zvg / mad / Courtesy of Niels Ligterink

Organische Makromoleküle gelten als Bausteine für das Leben, da sie von entscheidender Bedeutung für die lebensfreundliche Kohlenstoff- und Stickstoffzusammensetzung der Erde sind. Planetenforscher gehen seit langem davon aus, dass diese organischen Makromoleküle auf der Erde von Chondriten stammen. Bei Chondriten handelt es sich um Gesteinsbausteine, aus denen sich die Erde vor etwa 4,6 Milliarden Jahren unter anderem gebildet hat und die wir heute als Meteoriten kennen. Chondriten entstehen in den frühen Phasen durch die Akkumulation von Staub und kleinen Partikeln in der protoplanetaren Scheibe, die sich um einen jungen Stern bildet. Bisher war jedoch unklar, wie die Makromoleküle in diesen Akkumulationen entstanden sind. Forscher unter der Leitung von Niels Ligterink präsentieren nun in einer Studie eine Erklärung dafür. 

Ligterink, Erstautor der Studie, war bis Ende Juni 2024 in der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie am Physikalischen Institut an der Universität Bern tätig und ist nun Assistenzprofessor an der Technical University in Delft. „Die makromolekulare Materie als solche ist für die Kohlenstoff- und Stickstoffzusammensetzung der Erde verantwortlich und gibt ihr die Voraussetzungen für Leben“, erklärt er. Bislang sei aber nicht klar gewesen, wo im Weltraum sich diese makromolekulare Materie bildet. 

Für die aktuelle Studie kombinierte das Forschungsteam, das von Ligterink zusammengestellt worden war, in seinem Modell zwei bereits bekannte Phänomene. Das erste ist das Phänomen, dass es in der Staubscheibe, die einen jungen Stern umkreist, Regionen gibt, in denen sich Staub und Eis ansammeln. In einer solchen Staub- oder Eisfalle in einer planetaren Scheibe bleibt der eisige Staub nicht stehen, sondern bewegt sich auf und ab und es spielen sich wichtige Mechanismen für die Bildung von Planetesimalen, Vorläufer und Bausteine für Planeten, ab.

Das zweite Phänomen ist die starke Bestrahlung einfacher Eisgemische, zum Beispiel durch Sternenlicht. Laboruntersuchungen haben gezeigt, dass sich durch Bestrahlung sehr komplexe Moleküle mit einer Größe von Hunderten von Atomen bilden können. Diese Moleküle enthalten meist Kohlenstoffatome und können mit schwarzem Ruß und Graphen verglichen werden. Die Forscher gingen davon aus, dass wenn es Staubfallen gäbe, die intensivem Sternenlicht ausgesetzt sind, sich dort organische Makromoleküle bilden könnten. Um ihre Hypothese zu testen, erstellten sie ein Modell, mit dem sie verschiedene Bedingungen berechnen konnten. 

Das Modell zeigte, dass sich unter den richtigen Bedingungen in nur wenigen Jahrzehnten in Staubfallen tatsächlich Makromoleküle bilden können. „Wir hatten dieses Ergebnis erwartet, aber es war eine schöne Überraschung, dass es so offensichtlich war“, sagt Ligterink. „Ich hoffe, dass die Forschung in Zukunft der Wirkung von intensiver Strahlung auf komplexe chemische Prozesse mehr Aufmerksamkeit schenken wird. Die meisten Forscher konzentrieren sich bislang nämlich auf relativ kleine organische Moleküle von einigen Dutzend Atomen Größe. Chondriten, Gesteinsbausteine für Planeten, enthalten jedoch meist große Makromoleküle“, so Ligterink weiter.

Es ist wirklich toll, dass wir jetzt ein auf Beobachtungen basierendes Modell verwenden können, um zu erklären, wie sich große Moleküle bilden können“, sagt Mitautorin Nienke van der Marel von der Universität Leiden in den Niederlanden. Vor elf Jahren waren sie und ihre Kollegen die ersten, die die Existenz von Staubfallen überzeugend nachweisen konnten. Seitdem ist sie von diesem Thema nicht mehr losgekommen. „Unsere Forschung ist eine einzigartige Kombination aus Astrochemie, Beobachtungen mit dem Radioteleskop-Observatorium ALMA, Laborarbeit, Staubentwicklung und dem Studium von Meteoriten aus unserem Sonnensystem.“

In Zukunft wollen die Forscher untersuchen, wie verschiedene Arten von Staubfallen unterschiedlich auf Strahlung und bewegte Staubströme reagieren. „Dies wird uns helfen, mehr über die Wahrscheinlichkeit von Leben um verschiedene Arten von Exoplaneten und Sternen zu erfahren“, so Ligterink abschließend.

U. Bern / DE


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