09.02.2018

Wie Nanodrähte wachsen

Erkenntnisse bieten Ansätze, um Nanodrähte mit speziellen Eigenschaften zu designen.

An der Röntgen­licht­quelle Petra III am Deutschen Elek­tronen-Synchro­tron Desy haben Wissen­schaftler das Wachstum winziger Drähte aus Gallium­arsenid live verfolgt. Die Beobach­tungen zeigen genaue Details der Wachstums­prozesse, die für Form und Kristall­struktur der kristal­linen Nano­drähte verant­wortlich sind. Diese Erkennt­nisse bieten auch neue Ansätze, zukünftig Nanodrähte mit speziellen Eigen­schaften für bestimmte Anwendungen maßzu­schneidern. Die Forscher um Philipp Schroth von der Univer­sität Siegen und dem Karls­ruher Institut für Techno­logie (KIT) wählten mit Gallium­arsenid einen breit verwendeten Halbleiter­werkstoff, der beispiels­weise in Infrarot­fernbe­dienungen, in der Hochfrequenz­technik für Handys, für die Umwandlung von elek­trischen Signalen in Licht für Glasfaser­kabel und auch für Solar­zellen in der Raumfahrt einge­setzt wird.

Abb.: Nadel-Wald: Nanodrähte aus Galliumarsenid unter dem Rasterelektronenmikroskop. (Bild: S. Kulkarni & T. Keller, DESY)

Für die Her­stellung der Drähte nutzen die Wissen­schaftler den selbst­katalysierenden Vapour-Liquid-Solid-Prozess (VLS-Prozess). Dabei werden zuerst winzige flüssige Gallium­tröpfchen auf einen rund 600 Grad Celsius heißen Silizium­kristall aufgebracht. Danach wird dieser Wafer mit gerichteten Strahlen aus Gallium­atomen und Arsen­molekülen bedampft, die sich in den Gallium­tröpfchen auflösen. Nach einer gewissen Zeit setzt das Kristall­wachstum der Nanodrähte unter­halb der Tröpfchen ein, wobei die Tröpfchen Schritt für Schritt nach oben geschoben werden. Die Gallium­tröpfchen wirken hierbei als Kata­lysator für das Längen­wachstum der Drähte. „Dieser Prozess ist zwar recht etabliert, bisher lässt sich die Kristall­struktur so herge­stellter Nano­drähte aller­dings noch nicht gezielt steuern. Um dies zu erreichen, müssen erst die Details des Wachstums verstanden werden“, betont Ludwig Feigl vom KIT.

Um den Wachstums­prozess live zu beobachten, instal­lierte die Gruppe eine mobile, speziell für Röntgen­untersuchungen entwickelte Versuchs­kammer im brillanten Röntgen­strahl von Petra III. Im Minuten­takt machten die Forscher Röntgen­aufnahmen, mit denen sich gleich­zeitig die interne Struktur und der Durch­messer der wachsenden Nanodrähte bestimmen lassen. Ergänzend dazu vermaßen die Wissen­schaftler die fertig­gestellten Nano­drähte mit dem Raster­elektronen­mikroskop. „Um solche komplexen Messungen überhaupt durchführen zu können, haben wir die Wachstums­bedingungen zuvor über einen Zeitraum von sechs Monaten weitest­gehend opti­miert“, erklärt Seyed Mohammad Mosta­favi Kashani von der Univer­sität Siegen.

In etwas mehr als vier Stunden wuchsen die Drähte auf eine Länge von rund 4000 Nano­metern heran. Dabei wurden die Drähte allerdings nicht nur länger, sondern auch dicker: Ihr Durch­messer stieg von anfangs rund 20 nm auf bis zu 140 nm an der Spitze des Drahtes. „Spannender­weise zeigten die elektronen­mikroskopischen Abbil­dungen eine etwas andere Form der Nano­drähte“, sagt Thomas Keller. Zwar waren die Drähte in Überein­stimmung mit den Röntgen­daten oben dicker als unten an der Kontakt­fläche zum Substrat. Allerdings war der im Elektronen­mikroskop gemessene Durch­messer im unteren Teil des Drahts größer als mittels Röntgen­strahlung beobachtet.

„Wir haben heraus­gefunden, dass für das Wachstum der Nanodrähte nicht nur der VLS-Prozess verant­wortlich ist, sondern auch eine zweite Komponente, die wir in diesem Experi­ment erstmals direkt beobachten und quantifizieren konnten“, erklärt Schroth. „Dieses Seiten­wand-Wachstum lässt die Drähte zusätz­lich in die Breite wachsen.“ Unab­hängig vom VLS-Prozess lagert sich aufge­dampftes Material vor allem im unteren Teil des Nano­rahts direkt an den Seiten­wänden an. Aus dem Vergleich der Röntgen­messung zu einem frühen Zeitpunkt des Wachstums mit der elektronen­mikroskopischen Messung am Ende des Wachstums lässt sich dieser zusätz­liche Beitrag bestimmen.

Außerdem werden im Laufe des Wachstums­prozesses die Gallium­tröpfchen durch das fort­währende Aufdampfen von weiterem Gallium konti­nuierlich größer. Damit verändert sich aber auch deren Form, welche die Forscher mit Hilfe von Wachstums­modellen ableiten konnten. Das hat einen weit­reichenden Effekt: „Mit der Tröpfchen­größe ändert sich der Kontakt­winkel zwischen den Tröpfchen und der Ober­fläche der Drähte. In bestimmten Fällen führt das dazu, dass der Draht plötzlich in einer anderen Kristall­struktur weiter­wächst“, sagt Feigl. Während die feinen Drähte zunächst in einer hexa­gonalen Wurtzit-Struktur kristal­lisierten, änderte sich dieses Verhalten nach einiger Zeit, und die Drähte wuchsen in einer kubischen Zink­blende-Struktur weiter.

Diese Änderung ist für Anwen­dungen wichtig, da die Struktur und die Form der Nano­drähte große Auswirkungen auf die Material­eigen­schaften haben. Mit diesen detail­lierten Erkennt­nissen lässt sich das Wachstum nicht nur besser verstehen, sie bieten auch Ansätze, zukünftig Nanodrähte mit speziellen Eigen­schaften für bestimmte Anwen­dungen maßzu­schneidern – etwa um den Wirkungs­grad einer Solar­zelle oder eines Lasers zu erhöhen.

Desy / JOL

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