23.09.2009

Wie Nanomagnete umklappen

Magnetische Inseln mit nur 30 Atomen werden von Domänenwänden durchlaufen und dabei ummagnetisiert.


Magnetische Inseln mit nur 30 Atomen werden von Domänenwänden durchlaufen und dabei ummagnetisiert.

Damit auch in Zukunft magnetische Datenspeicher stetig wachsende Informationsmengen aufnehmen können, müssen ihre magnetischen Bits immer kleiner werden. Der fortschreitenden Miniaturisierung sind jedoch Grenzen gesetzt: Ist ein magnetisierter Bereich zu klein, so kann er durch die Wärmebewegung ummagnetisiert werden und die in ihm gespeicherte Information verlieren. Wie nanometergroße Magnete durch thermische Anregung umklappen, haben jetzt Forscher um Stefan Krause und Roland Wiesendanger von der Universität Hamburg untersucht. Dabei zeigten die Magnete, die z. T. aus weniger als 50 Atomen bestanden, ein unerwartetes Verhalten.

Zur Herstellung der Nanomagnete bedampften die Forscher eine glatte Wolframoberfläche mit Eisenatomen, deren Menge etwa 14 % einer Monolage entsprach. Mit einem Rastertunnelmikroskop konnte man erkennen, dass sich einlagige Eiseninseln gebildet hatten, die zwei bis sechs Nanometer groß waren und 30 bis 150 Atome enthielten. Die Spitze des Mikroskops war mit antiferromagnetischem Chrom überzogen. Mit ihr konnte man (ohne die ferromagnetischen Eiseninseln zu stören) die in der Wolframoberfläche liegende Komponente der Magnetisierung einer Insel bestimmen. Das war möglich, da die Stärke des gemessenen Tunnelstroms wie cosα vom Winkel α zwischen den Magnetisierungsrichtungen von Spitze und Insel abhing.

Abb.: Eine Nanoinsel kehrt ihre Magnetisierung um, indem ein Atom sein magnetisches Moment umdreht und von diesem Keim ausgehend eine Domänenwand durch die Insel läuft. (Bild: S. Krause et al.)

Im Ultrahochvakuum bei Temperaturen zwischen 30 und 80 K wurde die Spitze jeweils über der Mitte einer Insel positionert und die Magnetisierung gemessen. Es zeigte sich, dass die Magnetisierungsrichtung auf einer Zeitskala von Sekunden unregelmäßig zwischen zwei Einstellungen hin und her sprang, die parallel bzw. antiparallel zu einer bestimmten Vorzugsrichtung in der Wolframoberfläche waren. Dieses Umklappen der Magnetisierung wurde durch thermische Anregung verursacht. Ob sich die magnetischen Momente der Eisenatome dabei gleichzeitig umdrehten oder zeitversetzt umklappten wie Dominosteine, ließ sich nicht direkt erkennen. Doch die Hamburger Forscher haben ein cleveres Verfahren angewandt, mit dem sie diese Frage beantworten konnten.

Zunächst haben sie für einzelne Inseln die Zeiten zwischen aufeinanderfolgenden Umklappvorgängen gemessen und daraus die mittlere Lebensdauer τ der beiden Magnetisierungszustände erhalten. Um von einer Ausrichtung zur anderen zu gelangen, musste die Magnetisierung der Insel durch thermische Anregung eine Energiebarriere Eb überwinden, was ihr mit der Wahrscheinlichkeit exp(-Eb/kBT) gelang. Wenn sie mit einer Frequenz f immer neue Anläufe gegen die Barriere machte, so ergab sich für die mittlere Lebensdauer: τ = 1/f exp(-Eb/kBT). Dieses exponentielle Verhalten haben die Forscher tatsächlich beobachtet, als sie τ für unterschiedliche Temperaturen bestimmten. So konnten sie für jede der untersuchten Inseln sowohl Eb als auch f ermitteln. Während Eb zwischen 100 und 200 meV lag, variierte f zwischen 1013 und 1016 Hz.

Nach einem gängigen Modell von Neél und Brown erwartet man, dass sich bei der thermischen Ummagnetisierung eines Nanoteilchens die magnetischen Momente aller seiner Atome gleichzeitig umdrehen. Während Eb von der Magnetisierungsanisotropie des Teilchens abhängen sollte, wäre f durch die Larmor-Frequenz gegeben und damit unabhängig von der Teilchengröße. Für die Nanoinseln haben die Forscher jedoch ein völlig anderes Verhalten gefunden. So erwies sich Eb als proportional zur Breite der Insel (gemessen entlang der oben erwähnten Vorzugsrichtung), während es von der dazu senkrechten Länge der Insel unabhängig war. Hingegen nahm f mit der Breite der Insel zu aber mit ihrer Länge ab.

Abb.: Mit dem magnetischen Rastertunnelmikroskop wird die Magnetisierungsrichtung der Nanoinseln sichtbar. (Bild: S. Krause et al.)

Die Forscher interpretieren das so: Die Ummagnetisierung einer Insel begann damit, dass sich an einem Ende der Insel zufällig ein atomares magnetisches Moment umdrehte. Je breiter die Insel war, umso mehr Atome kamen dafür in Frage, wodurch sich die Zunahme von f mit der Inselbreite erklärt. Anschließend lief von diesem „Keim“ ausgehend eine Domänenwand in Längsrichtung durch die Insel. Je breiter die Insel war, umso länger musste die Domänenwand sein und umso größer war die dafür aufzubringende Energie, wodurch sich die Proportionalität zwischen Eb und der Inselbreite erklärt. Wenn die Domänenwand das entgegengesetzte Ende der Insel erreichte, war die Ummagnetisierung perfekt. Doch die Wand konnte unterwegs ebenso gut umkehren, sodass es nicht nur zur Ummagnetisierung kam. Die Wahrscheinlichkeit dafür war umso größer, je länger die Insel war. Eine Abnahme von f mit zunehmender Insellänge ist die Folge. Diese Erklärung konnten die Forscher mit molekulardynamischen Rechnungen im Detail bestätigen.

Für Inseln mit weniger als 30 Atomen scheint die thermische Ummagnetisierung auf „konventionelle“ Weise zu geschehen, indem sich alle atomaren magnetischen Momente gleichzeitig umdrehen, wie die Forscher vermuten. Solch kleine Inseln haben gewissermaßen ein kollektives magnetisches Moment. Bei etwas größeren Nanoinseln verläuft die Ummagnetisierung offensichtlich komplizierter. Sie hängt empfindlich von der Form und von der Orientierung der Nanoinsel relativ zur Substratoberfläche ab. Dadurch wird es möglich, schwer bzw. leicht ummagnetisierbare Inseln herzustellen, die sich zur Speicherung von Daten bzw. als Magnetsensoren eignen.

RAINER SCHARF

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