08.09.2016

Wie Partikel entstehen

Experiment zeigt Mechanismus der Partikelbildung aus­gehend von ge­lösten mole­ku­laren Bau­steinen.

Eine der Hauptaufgaben der Chemie ist, die Bildung von Materi­alien zu kontrol­lieren beziehungs­weise neue Materi­alien maßzu­schneidern. Um die dabei ange­wandten Synthesen zu opti­mieren, ist es von grund­legender Bedeutung zu verstehen, wie der Phasen­über­gang von der Lösung zum Partikel funk­tio­niert. Denis Gebauer und seinem Team von der Uni­ver­sität Konstanz ist es nun im Rahmen einer inter­natio­nalen Koope­ration gelungen, am Beispiel des Eisen­oxids, das bedeutende Anwen­dungen im Bereich der Medizin, Katalyse und Sensorik hat, die Entstehung von Partikeln im Detail beob­achtbar zu machen. Die Dokto­randin Johanna Scheck hat ein Experi­ment entwickelt, mit dem sich die hohe Reak­ti­vität der Eisen(III)-Ionen in den Griff bekommen lässt, wodurch die einzelnen Stadien bei der Ent­stehung von Eisen­oxid­partikeln analy­sier­bar werden.

Abb.: Experiment, bei dem durch lang­same Zu­gabe ver­schie­dener Lö­sun­gen die Re­ak­tion ge­star­tet, kon­trol­liert und unter­sucht wer­den kann. (Bild: U. Kon­stanz)

In einem speziellen Beschleunigerring wurde die Größen­ver­teilung und Wechsel­wirkung von Partikeln in den einzelnen Stadien gemessen. Die entschei­dende Modi­fi­kation im Vergleich zu früheren Studien besteht in dem stark verlang­samten Ablauf der Mischung, dessen Um­setzung einige Tricks und Kniffe ver­langte. Nur einige Hundert Nano-Liter Eisen­lösung fließen pro Minute in die Reak­tions­lösung. Damit arbeitet das Konstanzer Experi­ment mit einer tausend­mal kleineren Dosie­rung pro Minute als vor­herige Experi­mente.

Bei dem Experiment von Scheck wurde außerdem noch etwas anders gemacht als bei seinen zahl­reichen Vor­gängern: Die Reihen­folge, in der die Kompo­nenten der Reak­tion zuge­geben wurden, wurde im Konstanzer Experi­ment umge­dreht. Die Idee dahinter: Anstatt die Reaktion in einer Eisen­lösung ablaufen zu lassen, wird die Eisen­lösung lang­sam dem Reaktions­medium zuge­fügt und so stark verdünnt. Dadurch lässt sich die Reaktion besser kontrol­lieren, weil die Stoff­menge an Eisen im Reaktions­gemisch sehr gering ist und so die Reaktion limi­tiert.

So konnte erreicht werden, dass die Reaktion des Eisen(III)-Oxids nicht sofort das System bis zum Stadium eines Partikels durch­läuft, sondern dass die einzelnen Stadien der Ent­wicklung der Partikel sepa­riert und mit einer Viel­zahl von Methoden analy­siert werden können. Dabei konnte die Reihen­folge der grund­legenden chemi­schen Mecha­nismen mit dem physi­ka­lischen Mecha­nismus der Phasen­sepa­ration in direkte Verbin­dung gebracht werden. Die Reaktion startet zunächst in einem chemischen Gleich­gewicht, das zur Bildung von gelösten, kleinsten Ionen-Zusammen­schlüssen –Prä­nukle­ations­clustern – führt. Erst eine nach­folgende Reaktion, bei der die Prä­nukle­ations­cluster verdichtet werden, ist grund­legend für die eigent­liche Phasen­sepa­ration. Bei schnellen Misch­vor­gängen laufen beide Mecha­nismen quasi parallel und damit ununter­scheid­bar ab.

So konnte durch das Experiment eine Diskussion, die seit den 1970er Jahren geführt wird, zumin­dest für das Eisen(III)-Oxid ent­schieden werden. Es hat sich gezeigt, dass die Reaktion nicht spontan bis hin zum Partikel abläuft, wie weit­läufig ange­nommen wurde. Der Nukle­ations­mecha­nismus, der beim ersten Teil­prozess des Phasen­über­gangs wirkt, basiert dabei auf den oben erwähnten Prä­nukle­ations­clustern. Ist der grund­legende Mecha­nismus der Entstehung von Partikeln verstanden, stehen ganz neue Möglich­keiten zur Verfügung. „Wir versuchen nun, die Ein­blicke, die wir in dieser grund­legenden Arbeit gewonnen haben, für das gezielte Design von Material­eigen­schaften anzu­wenden“, sagt Gebauer.

U. Konstanz / RK

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