11.08.2020

Wie Riesensterne fleckig werden

Große Sternflecken sind unter Riesensternen üblicher als angenommen.

Dunkle, zum Teil riesige Sternflecken an der Oberfläche sind unter roten Riesensternen verbreiteter als bisher angenommen. Wie Forscher unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnen­system­forschung (MPS) in Göttingen herausgefunden haben, zeigen etwa acht Prozent der roten Riesen solche Flecken. Sie sind Ausdruck starker Magnet­felder an der Oberfläche des Sterns. Die Magnetfelder entstehen tief im Innern in einem Prozess, der unter anderem Konvektion und eine schnelle Eigen­drehung des Sterns voraussetzt. Obwohl rote Riesen gemeinhin als langsam rotierende Sterne gelten, bilden diejenigen mit Stern­flecken offenbar eine Ausnahme. Die aktuelle, umfassende Analyse identifiziert verschiedene Gründe für deren ungewöhnliche Drehfreude: vom erzwungenen Gleichtakt mit einem anderen, eng benachbarten Stern über das Verschlucken eines Sterns oder Planeten bis hin zu einer schnellen Ausgangs­dreh­geschwindigkeit in einer frühen Entwicklungs­phase.
 

Abb.: Die Entstehung von roten Riesen mit Flecken (Bild: MPS / hormesdesign.de)
Abb.: Die Entstehung von roten Riesen mit Flecken (Bild: MPS / hormesdesign.de)

Zu den auffälligsten Eigenschaften der Sonne gehören die Sonnenflecken, dunkle Bereiche auf ihrer ansonsten hellen Oberfläche, die zum Teil sogar ohne Vergrößerung von der Erde aus sichtbar sind. Auch zahlreiche andere Sterne, die sich wie die Sonne in der Blütezeit ihres Lebens befinden, sind von Flecken überzogen. Bei roten Riesen hingegen, die sich in einem fort­geschrittenen Stadium der Sternentwicklung befinden, galten sie bisher als Seltenheit. Die Ursache für diesen Unterschied findet sich im Innern der Sterne. Aus dem Zusammen­spiel von elektrisch leitenden Plasmaströmen und der Rotation des Sterns entstehen in einem Dynamoprozess die Magnetfelder des Sterns und setzen sich bis an seine Oberfläche fort. An manchen Stellen verhindern besonders starke Magnetfelder, dass heißes Plasma nach oben strömt. Diese Regionen erscheinen dunkel und werden als Sternflecken bezeichnet. 

„Damit sich an der Oberfläche eines Sterns Magnetfelder und Sternflecken ausbilden, sind Rotation und Konvektion entscheidende Zutaten“, erklärt Federico Spada vom MPS, Ko-Autor der neuen Studie. „Sterne, bei denen sich die Konvektion in einer außen­liegenden Schicht abspielt, haben das Potential, durch Dynamo­prozesse Magnetfelder an der Oberfläche zu erzeugen. Diese magnetische Aktivität ist nur dann messbar, wenn der Stern schnell genug rotiert“, fügt er hinzu. Bisher hatten Forscher angenommen, dass fast alle roten Riesen eher gemächlich um die eigene Achse rotieren. Schließlich dehnen sich Sterne, wenn sie sich gegen Ende ihres Lebens zu Roten Riesen entwickeln, dramatisch aus. Ihre Eigen­rotation verlangsamt sich dadurch. Die neue Studie unter Leitung des MPS und der New Mexiko State University (USA) zeigt nun ein anderes Bild. Etwa acht Prozent der beobachteten roten Riesen drehen sich so schnell, dass Flecken entstehen können. 

Das Forscherteam durchforstete die Messdaten von etwa 4500 roten Riesen, die das Weltraum­teleskop Kepler von 2009 bis 2013 aufgenommen hat, nach Hinweisen auf Flecken. Solche Flecken mindern die Lichtmenge, die ein Stern ins All sendet. Da sie sich in der Regel über mehrere Monate nur leicht verändern, drehen sie sich nach und nach aus dem Blickfeld des Teleskops – und erscheinen dann nach einiger Zeit wieder. Dies erzeugt typische, regelmäßig wiederkehrende Helligkeits­schwankungen.

Im zweiten Schritt gingen die Wissenschaftler der Frage nach, warum die fleckigen Riesen sich so schnell drehen. Woher nehmen sie die nötige Energie? „Um diese Frage zu beantworten, mussten wir ganz genau hinsehen, möglichst viele Eigenschaften der Sterne bestimmen und daraus ein Gesamtbild zusammen­setzen“, so MPS-Wissenschaftler Patrick Gaulme, Erstautor der Studie. Am Apache Point Observatory in New Mexiko (USA) untersuchten die Forscher etwa, wie sich die Wellenlängen des Stern­lichtes einiger Sterne mit der Zeit verändern. So sind Rück­schlüsse auf ihre genaue Bewegung möglich. Zudem schaute das Team auf schnelle Helligkeits­schwankungen, die den langsameren, durch Sternflecken verursachten überlagert sind. Die schnelleren Schwankungen sind Ausdruck von Druckwellen, die sich durch das Innere eines Sterns bis zu seiner Oberfläche ausbreiten. Ihre Analyse erlaubt es, viele innere Eigenschaften des Sterns zu bestimmen wie etwa das Gewicht und das Alter.

Wie sich zeigte, gehören etwa 15 Prozent der fleckigen Riesen zu Doppelsternsystemen, die auch einen weiteren, kleineren und somit drehfreudigen Stern beherbergen. „In solchen Systemen gleichen sich die Rotations­geschwindigkeiten beider Sterne mit der Zeit an, bis sie sich wie zwei Paarläufer beim Eiskunstlauf im Gleichtakt drehen“, so Gaulme. Der zunächst langsamere rote Riese gewinnt dadurch an Schwung. 

Die anderen fleckigen Riesen, etwa 85 Prozent, sind Einzelkämpfer – und rotieren dennoch schnell. Die leichteren von ihnen, deren Gewicht in etwa dem der Sonne entspricht, sind wahrscheinlich im Laufe ihrer Entwicklung mit einem weiteren Stern oder einem Planeten verschmolzen und haben dadurch Fahrt aufgenommen. Die etwas schwereren, deren Gewicht zwischen dem zweifachen und dreifachen Gewicht der Sonne liegt, blicken auf einen anderen Werdegang zurück. In der Blütezeit ihres Lebens, bevor sie zu roten Riesen wurden, verhinderte ihr innerer Aufbau das Entstehen eines globalen Magnet­feldes, das Stern­teilchen nach und nach vom Stern wegleitet. Anders als bei ihren magnetischen Kollegen, die sich im Laufe der Zeit deshalb immer langsamer drehen, hat sich ihre Rotation wohl nie deutlich abgebremst. Sie rotieren auch als rote Riesen noch fast schnell wie in jungen Jahren. 

„Die Beobachtung, dass einige rote Riesen Flecken haben, hat uns zu drei verschiedenen Gruppen schnell rotierender Sterne geführt“, so Gaulme zusammen­fassend. „Es ist also kein Wunder, dass das Phänomen weiter verbreitet ist, als wir bisher dachten", fügt er hinzu. 

Studien wie die vorliegende werfen Licht auf die Entwicklung der Rotation und der magnetischen Aktivität bei Sternen und auf ihr komplexes Zusammen­spiel, einschließlich der Auswirkungen auf die Bewohnbarkeit der Planeten­systeme, die sie beherbergen könnten. Diese gehören zu den Hauptzielen der ESA-Mission Plato, deren Start für Ende 2026 erwartet wird. „Wir freuen uns auf die Plato-Mission; mit ihren einzig­artigen Langzeit­beobachtungen werden wir in der Lage sein, unsere Studie auf andere Regionen der Milchstraße auszudehnen", schließt Spada.

MPS / DE
 

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