22.01.2018

Wie sich Kristalle auflösen

Material löst sich nicht kontinuierlich, sondern in Pulsen.

Würfel­zucker löst sich in Tee oder Kaffee, Karbonat in Meeren und Ozeanen. Bislang haben Forscher vermutet, dass sich solche Kristalle konti­nuierlich in Flüssig­keit auflösen. Cornelius Fischer und Andreas Lüttge vom MARUM – Zentrum für Marine Umwelt­wissenschaften der Univer­sität Bremen – haben nun aber einen besonderen Prozess der Material­auflösung entdeckt, der sich auch auf die quanti­tative Vorhersag­barkeit natürlicher und tech­nischer Prozesse auswirken wird. Statt in einem konti­nuierlichen Prozess lösen sich Kristalle in Pulsen.

Abb.: Kristalle lösen sich nicht kontinuierlich, sondern in Pulsen, die hier Kraterwellen ähneln, auf. (Bild: Marum, U. Bremen)

Wie kristallines Material mit Flüssig­keiten reagiert, ist bestimmend für ganz all­tägliche Prozesse in der Natur und in tech­nischen Anwen­dungen – wie Metalle korro­dieren oder Karbonat­gestein zersetzt wird sind Beispiele, ebenso auch die Aufnahme von Arzneimittel­wirkstoffen im Körper. Wie lange dauert es zum Beispiel, bis ein Medikament aufge­nommen wird und sich der Wirkstoff frei­setzt? Bislang sei man davon ausge­gangen, dass die Reaktions­produkte beständig von der Kristall­oberfläche frei­gesetzt werden, das entspricht einer konti­nuierlichen Auf­lösung.

„Neue experi­mentelle und analy­tische Ergeb­nisse zeigen aber etwas grund­legend Anderes: Material wird in einer Folge von Reaktions­pulsen frei­gesetzt“, erklärt Cornelius Fischer. Das bedeutet, dass die zeitliche und räum­liche Ver­teilung der Material­freisetzung grund­sätzlich anders funk­tioniert als bisher angenommen. Interes­sant wird es, wenn sich solche Pulse der Material­freisetzung über­lagern, denn so könnten völlig neue Poren­muster von Fest­körpern entstehen. Ein Beispiel für eine klas­sische Anwendung, sagt Fischer, sei die Durch­lässigkeit sonst dichter Festkörper, etwa wie Wasser durch Gestein sickert und so neue Wege für die Flüssig­keit schafft und das Gestein insgesamt poröser wird. Das Poren­muster zeigt dann, wie durch­lässig das Gestein ist.

Die Forschung der Minera­logen ist zum Beispiel relevant für Risiko- und Sicherheitsabschätzungen, etwa wenn es um die Einlagerung von Gasen oder das Entsorgen von nuklearem Material geht. „Immer dann“, verdeut­licht Fischer, „wenn Prognosen für Anwen­dungen und Prozesse der Flüssig­keit-Festkörper-Reaktionen verbes­sert werden sollen“. Ihre neuen Ergeb­nisse stellen die vorherr­schende konzep­tionelle Ansicht in Frage, dass die Kristall­auflösung einfach der umge­kehrte Prozess des konti­nuierlichen Kristall­wachstums ist. „Solche Pulse wurden für Kristall­wachstums­prozesse bislang nicht beobachtet“, sagt Fischer. Für ihre Studie haben die Forscher die Auflösung von Kalzit und Zinkoxid unter­sucht. Schnell rea­gierende Kalzitober­flächen bieten oft ein sehr hete­rogenes Bild.

„Zinkoxid zum Beispiel eignet sich jedoch gut für eine Beo­bachtung der Ober­flächenver­änderungen quasi in Zeitlupe“, erklärt Andreas Lüttge. „Als wir zum ersten Mal solche Pulse mit Zinkoxid-Ober­flächen entdeckten, war es schwer zu glauben, dass dieses Ergebnis verall­gemeinerungs­fähig ist. Zu sehr bestimmen die komplexen Reaktions­muster wie auf Kalzitober­flächen unsere Inter­pretation. Jetzt sind wir jedoch mit den neuen Ergeb­nissen in der Lage, solche Muster der Material­freisetzung besser zu verstehen.“

Ziel der Unter­suchungen von Fischer und Lüttge sind Modelle der quanti­tativen Prognose. Wie schnell und mit welchen räum­lichen Mustern ändern sich Festkörper­oberflächen und setzen Material frei? Wie entwickelt sich die Durch­lässigkeit von festem Material? Fischer: „In Zukunft werden wir unsere neuen Erkennt­nisse in reaktiven Transport­modellen anwenden, um für grund­sätzliche und ange­wandte Frage­stellungen eine bessere Vorhersag­barkeit der Material­freisetzung zu ermög­lichen.“

Marum / JOL

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen