Wie transparent sind Sterne?
Messungen der Lichtdurchlässigkeit metallischer Plasmen unter stellaren Bedingungen stellen Modellierung infrage.
Die Vorgänge im Innern von Sternen lassen sich nur indirekt erschließen. Insbesondere der Wärmetransport, der die Energie von den Fusionsprozessen im heißen Kern an die Oberfläche bringt und sie leuchten lässt, scheint nach neuesten Messungen mehr Fallstricke aufzuweisen, als gängige Sternmodelle vermuten lassen. Wie ein Forscherteam der Sandia National Laboratories in New Mexico nun festgestellt hat, könnte insbesondere die Lichtdurchlässigkeit metallischer Plasmen über Jahre falsch eingeschätzt worden sein. Das stellt einige Annahmen von Sternmodellen infrage.
Eigentlich sind Sterne sehr viel einfacher aufgebaut als Planeten. Aufgrund der hohen Temperaturen liegt die Materie dort in Form eines Plasmas vor und nicht in vielfältigen Arten von Mineralien und Kristallarten mit unterschiedlichen Eigenschaften. Aber auch das Innere von Sternen ist strukturiert und weist abhängig von der vorherrschenden Art des Wärmetransports zwei Zonen aus. In der Strahlungszone ist elektromagnetische Strahlung für den Großteil des Wärmetransports verantwortlich, während es in der Konvektionszone die Umwälzung großer Materiemengen ist. Zwar wird ein Teil der bei den Fusionsprozessen im Kern erzeugten Energie auch mit den Neutrinos nach außen getragen. Da diese aber kaum weitere Wechselwirkungen mit der Sternmaterie eingehen, spielen sie nur für die Gesamtenergiebilanz eine Rolle, nicht aber für den Wärmehaushalt des Sterns.
Dabei zeigen Sterne unterschiedlicher Masse auch eine unterschiedliche Schichtung, abhängig vom vorherrschenden Temperaturgradienten: Kleine Sterne mit weniger als halber Sonnenmasse weisen nur Konvektion auf und haben keine Strahlungszone. Sterne von ungefähr Sonnenmasse haben eine Strahlungszone im Innern, umgeben von einem konvektionsdominierten Mantel. Bei Sternen mit mehr als anderthalbfacher Sonnenmasse dreht sich dies um. Ihre Strahlungszone liegt außen, während im Kern Konvektion vorherrscht. Der Übergang zwischen diesen Zonen hängt nun stark von der Transparenz verschiedener Elemente im Plasma ab, da diese den Strahlungstransport beeinflussen.
Die Wissenschaftler nutzten die „Z Pulsed Power Facility“ der Sandia Labs, kurz „Z Machine“ genannt. Diese Anlage ist zylindrisch aufgebaut mit einem Durchmesser von 32 Metern und einer Höhe von sechs Metern. 36 radiale elektrische Leiter mit einem Durchmesser von über einem Meter können für einen kurzen Zeitraum von weniger als hundert Nanosekunden einen elektrischen Strom von über zwanzig Millionen Ampere aufnehmen. Dies erzeugt ein starkes Magnetfeld, das über einen Z-Pinch-Effekt feine Wolfram-Drähte im Zentrum in ein extrem heißes Plasma verwandelt.
Die Forscher konnten die Lichtdurchlässigkeit metallischer Plasmen direkt bestimmen. Bislang waren derartige Studien einerseits auf schwierige mathematische Modellierung angewiesen. Andererseits spielen auch indirekte Beobachtungen eine Rolle, wobei vor allem helioseismologische Messungen einen Rückschluss auf die Güte der Modellierung erlaubten. Diese sind mittlerweile so gut, dass sie eine Bestimmung der Strahlungs-Konvektions-Grenze erlauben, deren Genauigkeit im Promillebereich liegt und die bei 0,713 Sonnenradien liegt.
Die Transparenz von Sternen hängt nun aber sowohl von der Lichtdurchlässigkeit der schweren Elemente ab als auch von der relativen Häufigkeit dieser Elemente in einem Stern – der Metallizität. Letztere ist jedoch umstritten: Jüngere Messungen der solaren Metallizität deuten auf einen deutlich niedrigeren Anteil an schweren Elementen hin als ältere. Sie passen jedoch nicht zu den älteren Transparenz-Werten. Die Messungen an der Z-Maschine sollten also die Frage klären, ob die jüngsten Metallizitätsmessungen oder die älteren, aus Kalkulationen stammenden Transparenzwerte falsche Resultate geliefert hatten.
Die Forscher nutzten dazu die Röntgenstrahlung, die bei diesem Pinch entsteht. Diese Strahlung traf auf eine dünne Metallfolie und heizte sie auf über eine Million Kelvin auf. Über verschiedene Spektrometer ermittelten die Forscher die Strahlungsabsorption in diesem Plasma. Erste Messungen aus dem Jahr 2015 hatten für hochionisiertes Eisen bereits eine deutlich höhere Undurchlässigkeit ergeben, als theoretisch erwartet worden war. Das Eisen war dabei 17-fach ionisiert, so dass nur noch die K-Schale voll gefüllt war, während die L-Schale eine Leerstelle hatte. Bei solchen Bedingungen, die denen der Strahlungs-Konvektions-Übergangszone entsprachen, lag der theoretisch ermittelte Wert um gut ein Drittel unter den gemessenen.
Bei den jüngsten Experimenten untersuchten die Wissenschaftler nun neben Eisen auch Nickel und Chrom, die ähnliche Elektronenkonfigurationen wie Eisen aufweisen. Nickel hat unter diesen Bedingungen eine volle L-Schale, während Chrom drei Leerstellen hat. Interessanterweise bestätigte dies nicht nur die älteren Messungen, sondern wies auf weitere Schwierigkeiten bei der Modellierung hin. Denn man sollte erwarten, dass die Modellierung der Transparenz in Bereichen fern von Spektrallinien einfacher ist. Aber auch dort war die gemessene Absorption stärker, vor allem beim Eisen. Bei Nickel und Chrom stimmten hingegen Messung und Modellierung besser überein. Das wirft die Frage auf, inwieweit die Wechselwirkung von Röntgenstrahlung im Bereich einiger Angström mit den Elektronen der L-Schale verstanden ist.
Künftige Experimente dürften auch andere Elemente ins Auge fassen, die einen wesentlichen Anteil an der Lichtabsorption im Sterninnern haben und die bei der Kernfusion in größeren Mengen entstehen, insbesondere Sauerstoff und Neon. Für diese Messungen werden die Forscher nicht zuletzt mit dem Problem zu kämpfen haben, geeignete Proben zu präparieren.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Nagayama et al.: Systematic Study ofL-Shell Opacity at Stellar Interior Temperatures, Phys. Rev. Lett. 122, 235001 (2019); DOI: 10.1103/PhysRevLett.122.235001 -
Z Pulsed Power Facility, Sandia National Laboratories, Albuquerque, USA
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