15.06.2023

Wie Wärme wandert

Phononen-Modell erweist sich als ungeeignet für starke Wärmeisolatoren.

Forscher des NOMAD Laboratory am Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft haben Einblicke in die mikroskopischen Mechanismen gewonnen, die die Wärmeleit­fähigkeit in thermischen Isolatoren bestimmen. Diese Studien tragen wesentlich zu den laufenden Bemühungen bei, höhere energetische Effizienzen zu erzielen. Denn Wärme­transport spielt eine entscheidende Rolle in verschiedenen wissenschaftlichen und industriellen Anwendungen, unter anderen in der Katalyse, der Turbinen­technologie und bei thermo­elektrischen Elementen, die ansonsten ungenutzte Abwärme in Elektrizität umwandeln können. Insbesondere zur Energie­einsparung und somit für die Entwicklung nachhaltiger Technologien sind Materialien mit hoher Wärme­isolations­fähigkeit von größter Bedeutung. Solche Materialien ermöglichen es nämlich, Wärme zurückzuhalten und zu nutzen, die sonst verloren gehen würde. Daher ist das Design von effizienteren, hoch­isolierenden Materialien ein wichtiges Forschungs­ziel, um nachhaltigere Anwendungen zu ermöglichen.

 

Abb.: Wärme­transport in Energie­werk­stoffen (Bild: F. Knoop / NOMAD Lab.)
Abb.: Wärme­transport in Energie­werk­stoffen (Bild: F. Knoop / NOMAD Lab.)

Die Entwicklung von stark thermisch isolierenden Materialien ist allerdings nicht trivial, obwohl die zugrunde liegenden physikalischen Grundgesetze seit fast einem Jahrhundert bekannt sind. Auf mikroskopischer Ebene wird der Wärmetransport in Halbleitern und Isolatoren im Rahmen der kollektiven Schwingung der Atome um ihre Gleich­gewichts­positionen im Kristall­gitter erklärt. Diese Phononen umfassen unzählige Atome in festen Materialien und decken daher große, nahezu makroskopische Längen- und Zeitskalen ab.

In zwei kürzlich veröffentlichten Studien haben die Wissenschaftler des NOMAD-Labors am Fritz-Haber-Institut die rechnerischen Möglichkeiten zur Berechnung der Wärmeleit­fähigkeit vorangetrieben und gezeigt, wie sich damit selbst ohne experimentelles Vorwissen eine hohe Genauigkeit erzielen lässt. Dabei hat sich herausgestellt, dass das oben genannte Phononen-Modell für starke Wärmeisolatoren nicht geeignet ist.

Mit Hilfe von Supercomputern des Max-Planck-Instituts, des Norddeutschen Verbunds für Hoch- und Höchst­leistungs­rechnen und des Jülich Forschungs­zentrums haben sie über 465 kristalline Materialien untersucht, für die die Wärmeleit­fähigkeit bisher noch nie gemessen wurde. Dabei wurden 28 starke Wärmeisolatoren gefunden, von denen sechs eine extrem niedrige Wärmeleit­fähigkeit, vergleichbar mit Holz, besitzen. Dabei zeigen diese Studien auch einen bisher oft übersehenen Mechanismus auf, mit dem sich Wärme­leit­fähigkeiten gezielt senken lassen.

„Wir haben die vorübergehende Bildung von Defektstrukturen beobachtet, die die atomare Bewegung für einen äußerst kurzen Zeitraum massiv beeinflussen“, sagt Florian Knoop (jetzt Linköping University), Erstautor beider Veröffentlichungen. „Solche Effekte werden in thermischen Leit­fähigkeits­simulationen normalerweise vernachlässigt, da diese Defekte extrem kurzlebig und auf mikroskopischer Ebene lokalisiert sind. Auf Grund der viel längeren und größeren Skalen beim Wärmetransport, werden solche Effekte oft als irrelevant angesehen. Die durchgeführten Berechnungen haben jedoch gezeigt, dass auch solche mikroskopischen Details wesentlich die Wärmeleit­fähigkeit beeinflussen“, fügt Christian Carbogno, einer der leitenden Autoren der Studien, hinzu.

Diese Erkenntnisse bieten neue Möglichkeiten, Wärmeisolatoren durch gezielte Defekt Erzeugung auf der Nanoskala zu entwerfen und damit zur Entwicklung von energie­effizienteren Technologien beizutragen.

FHI / DE

 

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