Wie Wasser in poröse Medien eindringt
Röntgen-Mikrotomographie zeigt Wasseraufnahme unterschiedlich benetzungsfähiger Materialien.
Vom Tafelwischen in der Schule kennt man es: Wasser benetzt einen Schwamm und wird von diesem aufgesogen. Dabei verdrängt das eindringende Wasser die in dem Schwamm befindliche Luft nahezu vollständig. Ganz anders ist die Situation bei der Bewässerung trockener Böden oder bei der Ölgewinnung, bei der Wasser in ein poröses Material eindringen muss, das oft nicht gut benetzbar ist. Bei der Ölförderung muss es gar meist unter hohem Druck in einen ölhaltigen, nicht benetzenden Sandstein hineingepumpt werden, um das Öl zu verdrängen und damit zu fördern. Hierbei wird das Öl nur teilweise ausgetrieben und lässt sich deshalb nicht vollständig fördern.
Abb.: Schnitte durch mikrotomographische Aufnahmen, wie Wasser (schwarz) von unten in eine ölgefüllte Glaskugelpackung (nicht gezeigt) eindringt (links früher, rechts späterer Zeitpunkt; Bild: MPIDS, UdS)
Diesen Prozess wollten Forscher am Max-Planck-
Bei ihren Untersuchungen, die unter anderem von der Firma BP Inc. gefördert werden, entdeckten die Forscher, dass sich bei Packungen aus benetzenden Kugeln, ähnlich porös wie ein Schwamm, eine relativ glatte Front zwischen dem Wasser und dem Öl ausbildet. Im Falle von nicht benetzenden Kugeln hingegen ist die Front zwischen den Flüssigkeiten stark verzweigt. Was für die Forscher überraschend war: Dieses komplexe Fließverhalten kann man allein durch die Betrachtung der einzelnen Poren verstehen, und an Theorie braucht man dazu nicht mehr als ein wenig Schulgeometrie. Benetzungs- und geometrieabhängig ist ein bestimmter Mindestdruck nötig, damit Flüssigkeit in eine bestimmte Pore eindringen kann. Für gut benetzende Flüssigkeiten kann dieser Druck sogar negativ sein und die Flüssigkeit wird aufgesogen wie in einem Schwamm: Wie in einer Kapillare wird jede einzelne Flüssigkeitsoberfläche so weit in eine Pore aufgesogen, dass sie in der dreidimensionalen Struktur mit den Flüssigkeitsoberflächen der Nachbarporen verschmilzt und weiter fließen kann. Diese (kooperativen) Wechselwirkungen mit den Nachbarporen sorgen dafür, dass sich glatte Fronten ausbilden und fast alle Luft aus dem Schwamm (bzw. fast alles Öl aus dem Gestein) verdrängt wird.
Schlecht benetzende Flüssigkeiten müssen hingegen in die gepackten Kugeln hineingepresst werden und dringen nur in die jeweils größte Pore ein. Wenn die nachfolgenden Poren gleich groß oder größer sind, kann die Flüssigkeit durch diese Stellen weiter fließen. Sind die nachfolgenden Poren aber kleiner, so bleibt die Flüssigkeit an dieser Stelle stehen, dringt an anderer Stelle der Probe in die jeweils größte Pore ein und bildet so eine verzweigte Front. Dabei fließt das eindringende Wasser um die Kontaktstellen der Kugeln herum, die weiterhin mit dem Öl umgeben sind. Während dieses Prozesses bildet das Öl ebenfalls eine komplexe, zusammenhängende Flüssigkeitsstruktur aus, wie man sie auch in feuchtem Sand findet. Wird weiter Wasser in die Probe eingepumpt, so zerfällt diese zusammenhängende Ölstruktur in kleinere Bereiche, die durch das eindringende Wasser nicht mehr verdrängt werden können und die Menge des zurückbleibenden Öls bestimmen.
Diese Beobachtungen waren möglich, weil die Wissenschaftler mit der aus der Medizin bekannten Technik der Computertomographie gearbeitet haben. Dabei durchleuchtet man Proben aus verschiedenen Winkeln mit Röntgenstrahlen, und ein Computer ermittelt aus diesen Bildern die dreidimensionale Struktur. Wenn Wissenschaftler dabei eine brillante Röntgenquelle nutzen, wie bei dieser Studie am ESRF, lassen sich räumliche Strukturen von wenigen Tausendstel Millimetern in Sekundenschnelle abbilden. Für die bei der Ölförderung typischen Fließgeschwindigkeiten ist dies vollkommen ausreichend, um alle wesentlichen Aspekte der Dynamik zu erfassen.
„Mit unseren Ergebnissen konnten wir zeigen, dass die Benetzbarkeit der eindringenden Flüssigkeit entscheidend für die Struktur der sich bildenden Benetzungsfront ist, und dass sie im Falle von regelmäßigen Kugelschüttungen sogar eine quantitative Vorhersage der Menge des zurückbleibenden Öls erlaubt. Wenn es gelingt, diese Erkenntnisse auf natürliche Gesteine anzuwenden, kann dies helfen, aus vorhandenen Ölreservoirs mehr Öl zu gewinnen und Ressourcen zu schonen“, sagt Physiker Ralf Seemann (MPIDS und UdS) als Leiter der Studie.
MPIDS / DE