31.03.2017

Wie Wasser in poröse Medien eindringt

Röntgen-Mikrotomographie zeigt Wasseraufnahme unterschiedlich benetzungsfähiger Materialien.

Vom Tafelwischen in der Schule kennt man es: Wasser benetzt einen Schwamm und wird von diesem aufgesogen. Dabei verdrängt das eindringende Wasser die in dem Schwamm befindliche Luft nahezu vollständig. Ganz anders ist die Situation bei der Bewässerung trockener Böden oder bei der Ölgewinnung, bei der Wasser in ein poröses Material eindringen muss, das oft nicht gut benetzbar ist. Bei der Ölförderung muss es gar meist unter hohem Druck in einen ölhaltigen, nicht benetzenden Sandstein hineingepumpt werden, um das Öl zu verdrängen und damit zu fördern. Hierbei wird das Öl nur teilweise ausgetrieben und lässt sich deshalb nicht vollständig fördern.

Abb.: Schnitte durch mikrotomographische Aufnahmen, wie Wasser (schwarz) von unten in eine ölgefüllte Glaskugelpackung (nicht gezeigt) eindringt (links früher, rechts späterer Zeitpunkt; Bild: MPIDS, UdS)

Diesen Prozess wollten Forscher am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbst­organisation in Göttingen (MPIDS), an der Universität des Saarlandes (UdS) sowie der Europäischen Synchrotron-Strahlungsquelle (ESRF) in Grenoble verstehen. Dafür haben sie das Eindringen von Flüssigkeit in künstliches Gestein, bestehend aus dicht gepackten Kugeln mit unterschiedlicher Benetzbarkeit, mittels zeit­aufgelöster Röntgen-Mikro­tomographie untersucht und die benetzungs­abhängigen Prozesse auf der Größen­skala einzelner Poren entschlüsselt.

Bei ihren Untersuchungen, die unter anderem von der Firma BP Inc. gefördert werden, entdeckten die Forscher, dass sich bei Packungen aus benetzenden Kugeln, ähnlich porös wie ein Schwamm, eine relativ glatte Front zwischen dem Wasser und dem Öl ausbildet. Im Falle von nicht benetzenden Kugeln hingegen ist die Front zwischen den Flüssigkeiten stark verzweigt. Was für die Forscher überraschend war: Dieses komplexe Fließ­verhalten kann man allein durch die Betrachtung der einzelnen Poren verstehen, und an Theorie braucht man dazu nicht mehr als ein wenig Schul­geometrie. Benetzungs- und geometrie­abhängig ist ein bestimmter Mindest­druck nötig, damit Flüssigkeit in eine bestimmte Pore eindringen kann. Für gut benetzende Flüssigkeiten kann dieser Druck sogar negativ sein und die Flüssigkeit wird aufgesogen wie in einem Schwamm: Wie in einer Kapillare wird jede einzelne Flüssigkeits­oberfläche so weit in eine Pore aufgesogen, dass sie in der drei­dimensionalen Struktur mit den Flüssigkeits­oberflächen der Nachbar­poren verschmilzt und weiter fließen kann. Diese (kooperativen) Wechsel­wirkungen mit den Nachbar­poren sorgen dafür, dass sich glatte Fronten ausbilden und fast alle Luft aus dem Schwamm (bzw. fast alles Öl aus dem Gestein) verdrängt wird.

Schlecht benetzende Flüssigkeiten müssen hingegen in die gepackten Kugeln hinein­gepresst werden und dringen nur in die jeweils größte Pore ein. Wenn die nach­folgenden Poren gleich groß oder größer sind, kann die Flüssigkeit durch diese Stellen weiter fließen. Sind die nach­folgenden Poren aber kleiner, so bleibt die Flüssigkeit an dieser Stelle stehen, dringt an anderer Stelle der Probe in die jeweils größte Pore ein und bildet so eine verzweigte Front. Dabei fließt das eindringende Wasser um die Kontakt­stellen der Kugeln herum, die weiterhin mit dem Öl umgeben sind. Während dieses Prozesses bildet das Öl ebenfalls eine komplexe, zusammen­hängende Flüssigkeits­struktur aus, wie man sie auch in feuchtem Sand findet. Wird weiter Wasser in die Probe eingepumpt, so zerfällt diese zusammen­hängende Ölstruktur in kleinere Bereiche, die durch das eindringende Wasser nicht mehr verdrängt werden können und die Menge des zurück­bleibenden Öls bestimmen.

Diese Beobachtungen waren möglich, weil die Wissenschaftler mit der aus der Medizin bekannten Technik der Computer­tomographie gearbeitet haben. Dabei durchleuchtet man Proben aus verschiedenen Winkeln mit Röntgen­strahlen, und ein Computer ermittelt aus diesen Bildern die drei­dimensionale Struktur. Wenn Wissenschaftler dabei eine brillante Röntgen­quelle nutzen, wie bei dieser Studie am ESRF, lassen sich räumliche Strukturen von wenigen Tausendstel Millimetern in Sekunden­schnelle abbilden. Für die bei der Ölförderung typischen Fließ­geschwindigkeiten ist dies vollkommen ausreichend, um alle wesentlichen Aspekte der Dynamik zu erfassen.

„Mit unseren Ergebnissen konnten wir zeigen, dass die Benetzbarkeit der eindringenden Flüssigkeit entscheidend für die Struktur der sich bildenden Benetzungsfront ist, und dass sie im Falle von regelmäßigen Kugel­schüttungen sogar eine quantitative Vorhersage der Menge des zurück­bleibenden Öls erlaubt. Wenn es gelingt, diese Erkenntnisse auf natürliche Gesteine anzuwenden, kann dies helfen, aus vorhandenen Ölreservoirs mehr Öl zu gewinnen und Ressourcen zu schonen“, sagt Physiker Ralf Seemann (MPIDS und UdS) als Leiter der Studie.

MPIDS / DE

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