Winziger Schwimmroboter wird autark
Das System lässt sich in wässriger Lösung manövrieren und fernsteuern.
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Oliver G. Schmidt, Inhaber der Professur Materialsysteme der Nanoelektronik an der Technischen Universität Chemnitz, entwickelte den kleinsten mikroelektronischen Roboter der Welt, der durch einen Zwillings-Düsenjet angetrieben und gesteuert wird. Der mikrolektronische Roboter ist 0,8 Millimeter lang wie breit und 0,14 Millimeter hoch. Der Mikro-Roboter ist mechanisch extrem flexibel, beweglich und mit diversen Funktionen ausgerüstet. An dem Projekt waren neben der TU Chemnitz und dem IFW Dresden die Chinesische Akademie der Wissenschaften Changchun und die Technische Universität Dresden beteiligt.
Ein besonderer Aspekt der Entwicklung ist die Bereitstellung von elektrischer Energie an Bord, die es dem hochflexiblen Mikro-Roboter erlaubt, verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Das System ist zudem in hohem Maße manövrierfähig in wässriger Lösung und lässt sich fernsteuern. Darüber hinaus verfügt der Roboter über eine Lichtquelle und einen kleinen Greifarm, die kabellos mit Energie versorgt werden können. Denkbar ist so der Einsatz von biomedizinischen Sensoren und Aktoren, die Anwendungen in den Bereichen der Mikro-Robotik und Medizintechnik ermöglichen. Beispiele hierfür sind das gezielte Verabreichen von Medikamenten oder die Diagnose von Krankheiten direkt im Organismus.
Das Forschungsfeld der Mikro-Roboter und Mikromotoren erzeugt seit mehr als zehn Jahren ein stark steigendes weltweites Interesse in verschiedenen Fachrichtungen. Insbesondere die fiktive Anwendung eines medizinischen Mini-U-Boots mit eigenem steuerbaren Antrieb beflügelt immer wieder sowohl die Grundlagen- als auch die angewandte Forschung. Dabei war das Ziel, die Entwicklung eines vollständig kontrollier- und steuerbaren mikroelektronischen Roboters, lange Zeit Science Fiction – bis jetzt. Zwar gibt es mittlerweile chemisch angetriebene Mikromotoren, die in ersten medizinischen Studien in den USA auf ihre Tauglichkeit zur Heilung bestimmter Krankheiten getestet werden, allerdings handelt es sich dabei um sehr einfache Systeme, die weder über elektrische Energie noch über mikroelektronische Einheiten an Bord verfügen. Eine gezielte Kontrolle und Steuerung der Mikroroboter ist somit nicht möglich. Das ist bei dem nun entwickelten System anders.
Die Antriebseinheit des nun vorgestellten Systems besteht aus aufgerollten Mikroröhrchen, die Schub durch den druckhaften Ausstoß von Sauerstoffbläschen erzeugen. Diesen Vorgang konnten die Forscher in einem der beiden Mikroröhrchen thermisch kontrollieren und so den Mikro-Roboter in verschiedene Richtungen steuern. „Vor fast zehn Jahren habe ich mit meinem damaligen Team die Idee formuliert, winzige chemische Düsenantriebe mit mikroelektronischen Komponenten zu verbinden, um damit zwei Fachrichtungen zusammenzuführen, die bis dahin nur wenig gemeinsam hatten. Es ist wunderbar zu sehen, dass diese Idee durch die technologische Innovationskraft meines Doktoranden Vineeth Kumar Bandari und das außergewöhnliche wissenschaftliche Engagement von Feng Zhu nun in einer ersten vereinfachten Form experimentell realisiert werden konnte“, sagt Schmidt.
Das komplette mikroelektronische System fertigten die Forscher aus einer Kombination aus Nano-Membranen auf Polymer-Basis an, die mit ihren Materialeigenschaften ihresgleichen sucht und in dieser Kombination eine wesentliche Rolle spielt. Die Konstruktion ist mechanisch hochflexibel und ermöglicht die Aufnahme elektronischer Komponenten und steuerbarer Aktuatoren. Für letzteres fertigte das Team eine dünne Schicht aus einem temperaturempfindlichen Polymer und integrierte diese als Aktuator an einem Ende des mikrorobotischen Systems. Durch die justierbare lokale Erhöhung oder Verringerung der Temperatur ist es möglich, den Aktuator zu schließen und zu öffnen, um kleinste Objekte zu greifen und wieder loszulassen.
Da der Mikroroboter Energie braucht, kommt ein System für die drahtlose Energieübertragung zum Einsatz, das aus einem externen Transmitter und einer in dem Mikrosystem integrierten Empfangsantenne besteht. Die Energie wird per Induktion übertragen. Es ist das erste Mal, dass die kabellose Übertragung elektrischer Energie in einem derart kleinen Mikro-Roboter genutzt werden kann. Mit ihrer Arbeit zur Fertigung des kleinsten mikroelektronischen Roboters, der kabellos mit Energie versorgt werden kann, fernsteuerbar und voll manövrierfähig ist sowie über eine Aktorik verfügt, legen die Forscher um Schmidt eine wesentliche Grundlage für den zukünftigen Einsatz von autonom arbeitenden Mikrorobotern im biomedizinischen Sektor. Da aktuell für den Antrieb unter anderem auch Wasserstoffperoxid notwendig ist, kann das System in dieser Labor-Konfiguration noch nicht direkt im menschlichen Körper eingesetzt werden. Eine Weiterentwicklung ist dafür nötig, der sich das Forschungsteam in einem nächsten Schritt widmen wird.
TU Chemnitz / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
V. K. Bandari et al.: A flexible microsystem capable of controlled motion and actuation by wireless power transfer, Nat. Elec. 3, 172 (2020); DOI: 10.1038/s41928-020-0384-1 - Materialsysteme der Nanoelektronik, Technische Universität Chemnitz