Wo kein Licht zuvor gewesen ist
Photothermische Kohärenz-Tomographie liefert tiefe dreidimensionale Einblicke in opake Gewebe und Materialien.
Abb. 1: An diesen zwei Löchern im Oberschenkelknochen einer Ziege testeten die Forscher das neue Verfahren. (Bild: S. Kaiplavil, A. Mandelis)
Bei vielen Anwendungen ist ein dreidimensionaler Blick durch die Oberfläche intransparenter Medien wünschenswert. Allerdings sind gerade in der Medizin Röntgentomographien mit einer gewissen Strahlenbelastung verbunden. Andere, nicht-invasive Verfahren liefern häufig nur zweidimensionale Bilder und dringen nur sehr oberflächlich in Gewebe ein. Kanadische Forscher haben nun eine Methode entwickelt, mit Hilfe von Infrarotlasern unter die Oberfläche intransparenter Medien zu schauen und dabei dreidimensionale Bilder zu erhalten. Dabei konnten sie aus deutlich größerer Tiefe Informationen gewinnen, als bislang mit vergleichbaren Technologien möglich war. Ihr Verfahren testeten sie sowohl an Knochen und an weichem Gewebe sowie an einem Stück Stahl.
Das Verfahren heißt „truncated-correlation photothermal coherence tomography“ TC-PCT. „Diese Technologie könnte man auch als photothermische Analogie zur optischen Kohärenztomographie bezeichnen“, sagt Andreas Mandelis von der University of Toronto. Die Methode beruht auf einer Serie kurzer Laserpulse, die einer bestimmten Frequenzmodulation unterliegen. Ein optischer Anregungspuls und ein Referenzpuls treffen dabei mit einer bestimmten Phasenverschiebung auf das Zielobjekt. Eine Infrarotkamera misst die entstehenden Schwankungen an der Oberfläche und erlaubt so Rückschlüsse auf die innere Struktur. Die Pulse sind dabei sehr viel kürzer als die Wiederholrate, mit der zwei Pulse aufeinander folgen. Dabei wird die Phase stufenweise erhöht, wodurch sich die Eindringtiefe festlegen lässt. Das Verfahren orientiert sich dabei an Techniken, wie sie etwa beim Radar schon lange bekannt sind
Abb. 2: Wie diese Bilder zeigen, lassen sich Tiefenstrukturen dreidimensional mit guter Auflösung abbilden. (Bild: S. Kaiplavil, A. Mandelis)
Der Clou des Aufbaus liegt in der geschickten Pulskontrolle, die einen tiefen dreidimensionalen Einblick in das untersuchte Material gewährt. „Mit der photothermischen Kohärenz-Tomographie können wir tiefen-aufgelöste thermische Bilder von unter der Oberfläche liegenden Absorberstrukturen aufnehmen“, so Mandelis. Andere photothermische Abbildungsverfahren liefern aufgrund der diffusiven Natur wärmeleitender Prozesse nur tiefenintegrierte zweidimensionale Bilder. Dabei dominieren die großen Strukturen das Bild und kleinere Variationen gehen üblicherweise völlig verloren.
Mit der photothermischen Kohärenz-Tomographie lassen sich dank zeitabhängiger Filterung jedoch bislang unübertroffene Grade an Energielokalisierung in diffusiven Wellenfeldern erzielen. Hierzu nutzten die Forscher ein rückgekoppeltes Kontrollsystem für die Pulsverzögerung und die zeitliche Begrenzung der Pulse. Denn obwohl bei einer gegebenen experimentellen Anordnung das volle Frequenzspektrum thermischer Wellen durch den optischen Anregungspuls erzeugt wird, ermöglicht die Kreuzkorrelation mit dem abgeschnittenen Referenzpuls einen zeitabhängigen Filter. Dieser bewahrt die Kohärenz in dem Teil des Frequenzspektrums innerhalb des entsprechenden Zeitfensters.
Je kürzer die Pulse, desto höher ist auch die axiale Auflösung. Ihr Minimum hängt allerdings vor allem von der Geschwindigkeit der Infrarotkamera ab. In Knochen betrug die axiale Auflösung rund 25 Mikrometer, die laterale Auflösung rund hundert Mikrometer. Eine besondere Fähigkeit der neuen Methode ist vor allem die vergleichsweise hohe Eindringtiefe, da sie nicht auf reflektiertem Licht, sondern auf der Wärmeleitfähigkeit des untersuchten Materials beruht. Technologisch gesehen ist sie quasi das thermische Äquivalent zur optischen Kohärenz-Tomographie, die in den letzten Jahren vor allem in der Biomedizin und Zahnheilkunde viele interessante Anwendungen erfahren hat. Die Eindringtiefe der OCT liegt jedoch bei unter einem Millimeter, während ihr photothermisches Gegenstück bis zu vier Millimeter unter die Oberfläche „schauen“ kann – und zwar dank der Ausnutzung thermischer Diffusion auch in völlig intransparente und stark streuende Medien.
Abb. 3: Tiefenkodierte ebene Bilder einer Ziegenrippe, aufgenommen mit um zehn Mikrosekunden verzögerten Referenzpulsen (Bild: A. Mandelis)
Ähnlich wie die OCT scheint das neue nicht-invasive Verfahren nicht nur für Materialuntersuchungen, sondern insbesondere für biophysikalische medizinische Anwendungen vielversprechend. Denn die Laserpulse erzeugen nur eine leichte Erwärmung der Probe, die unterhalb der gesetzlichen medizinischen Regularien liegt.
Die Forscher konnten mit dem Verfahren nicht nur die Struktur von Knochen, sondern auch die Tiefe von von Bohrlöchern in Stahl sowie den Grad von Verbrennungen in Gewebe bestimmen. Zur Diagnose und Therapie von Verbrennungen etwa ist es wichtig zu wissen, wie weitreichend vor allem die inneren Schäden sind, da dies entscheidend für den Regenerationsprozess ist. Gerade der sterile, weil kontaktfreie, und nichtinvasive Charakter der neuen Technik könnte sich hier als Vorteil erweisen.
Dirk Eidemüller
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