08.07.2014

Wo kein Licht zuvor gewesen ist

Photothermische Kohärenz-Tomographie liefert tiefe dreidimensionale Einblicke in opake Gewebe und Materialien.

Abb. 1: An diesen zwei Löchern im Ober­schenkel­knochen einer Ziege testeten die Forscher das neue Verfahren. (Bild: S. Kaiplavil, A. Mandelis)

Bei vielen Anwendungen ist ein drei­dimen­sionaler Blick durch die Oberfläche intransparenter Medien wünschens­wert. Allerdings sind gerade in der Medizin Röntgen­tomo­graphien mit einer gewissen Strahlen­belastung verbunden. Andere, nicht-invasive Verfahren liefern häufig nur zwei­dimen­sionale Bilder und dringen nur sehr ober­flächlich in Gewebe ein. Kanadische Forscher haben nun eine Methode entwickelt, mit Hilfe von Infrarot­lasern unter die Ober­fläche intranspa­renter Medien zu schauen und dabei drei­dimen­sionale Bilder zu erhalten. Dabei konnten sie aus deutlich größerer Tiefe Informa­tionen gewinnen, als bislang mit vergleich­baren Techno­logien möglich war. Ihr Verfahren testeten sie sowohl an Knochen und an weichem Gewebe sowie an einem Stück Stahl.

Das Verfahren heißt „truncated-corre­lation photo­thermal coherence tomo­graphy“ TC-PCT. „Diese Techno­logie könnte man auch als photo­thermische Analogie zur optischen Kohärenz­tomo­graphie bezeichnen“, sagt Andreas Mandelis von der University of Toronto. Die Methode beruht auf einer Serie kurzer Laser­pulse, die einer bestimmten Frequenz­modulation unter­liegen. Ein optischer Anregungs­puls und ein Referenz­puls treffen dabei mit einer bestimmten Phasen­verschiebung auf das Ziel­objekt. Eine Infrarot­kamera misst die entstehenden Schwankungen an der Ober­fläche und erlaubt so Rück­schlüsse auf die innere Struktur. Die Pulse sind dabei sehr viel kürzer als die Wieder­hol­rate, mit der zwei Pulse aufeinander folgen. Dabei wird die Phase stufen­weise erhöht, wodurch sich die Eindring­tiefe festlegen lässt. Das Verfahren orientiert sich dabei an Techniken, wie sie etwa beim Radar schon lange bekannt sind

Abb. 2: Wie diese Bilder zeigen, lassen sich Tiefen­struk­turen drei­dimen­sional mit guter Auf­lösung abbilden. (Bild: S. Kaiplavil, A. Mandelis)

Der Clou des Aufbaus liegt in der geschickten Puls­kontrolle, die einen tiefen drei­dimen­sionalen Einblick in das untersuchte Material gewährt. „Mit der photo­ther­mischen Kohärenz-Tomo­graphie können wir tiefen-aufgelöste thermische Bilder von unter der Ober­fläche liegenden Absorber­strukturen aufnehmen“, so Mandelis. Andere photo­thermische Abbildungs­verfahren liefern aufgrund der diffusiven Natur wärme­leitender Prozesse nur tiefen­integrierte zwei­dimensionale Bilder. Dabei dominieren die großen Strukturen das Bild und kleinere Varia­tionen gehen üblicher­weise völlig verloren.

Mit der photo­thermischen Kohärenz-Tomo­graphie lassen sich dank zeit­abhängiger Filterung jedoch bislang unüber­troffene Grade an Energie­lokali­sierung in diffu­siven Wellen­feldern erzielen. Hierzu nutzten die Forscher ein rück­gekop­peltes Kontroll­system für die Puls­verzö­gerung und die zeitliche Begrenzung der Pulse. Denn obwohl bei einer gegebenen experimen­tellen Anordnung das volle Frequenz­spektrum thermi­scher Wellen durch den optischen Anregungs­puls erzeugt wird, ermöglicht die Kreuz­korrela­tion mit dem abgeschnit­tenen Referenz­puls einen zeit­abhängigen Filter. Dieser bewahrt die Kohärenz in dem Teil des Frequenz­spektrums innerhalb des entspre­chenden Zeit­fensters.

Je kürzer die Pulse, desto höher ist auch die axiale Auflösung. Ihr Minimum hängt allerdings vor allem von der Geschwindigkeit der Infrarotkamera ab. In Knochen betrug die axiale Auflösung rund 25 Mikrometer, die laterale Auflösung rund hundert Mikrometer. Eine besondere Fähig­keit der neuen Methode ist vor allem die vergleichs­weise hohe Eindring­tiefe, da sie nicht auf reflek­tiertem Licht, sondern auf der Wärme­leit­fähigkeit des unter­suchten Materials beruht. Techno­logisch gesehen ist sie quasi das thermische Äqui­valent zur optischen Kohärenz-Tomo­graphie, die in den letzten Jahren vor allem in der Bio­medizin und Zahn­heil­kunde viele interes­sante Anwendungen erfahren hat. Die Eindring­tiefe der OCT liegt jedoch bei unter einem Milli­meter, während ihr photo­thermi­sches Gegenstück bis zu vier Milli­meter unter die Oberfläche „schauen“ kann – und zwar dank der Ausnutzung thermischer Diffusion auch in völlig intranspa­rente und stark streuende Medien.

Abb. 3: Tiefenkodierte ebene Bilder einer Ziegenrippe, aufgenommen mit um zehn Mikrosekunden verzögerten Referenzpulsen (Bild: A. Mandelis)

Ähnlich wie die OCT scheint das neue nicht-invasive Verfahren nicht nur für Material­unter­suchungen, sondern insbesondere für bio­physi­kalische medi­zinische Anwendungen viel­ver­sprechend. Denn die Lase­rpulse erzeugen nur eine leichte Erwärmung der Probe, die unterhalb der gesetz­lichen medizi­nischen Regu­larien liegt.

Die Forscher konnten mit dem Verfahren nicht nur die Struktur von Knochen, sondern auch die Tiefe von von Bohrlöchern in Stahl sowie den Grad von Verbren­nungen in Gewebe bestimmen. Zur Diagnose und Therapie von Verbren­nungen etwa ist es wichtig zu wissen, wie weit­reichend vor allem die inneren Schäden sind, da dies entschei­dend für den Regene­rations­prozess ist. Gerade der sterile, weil kontakt­freie, und nicht­invasive Charakter der neuen Technik könnte sich hier als Vorteil erweisen.

Dirk Eidemüller

OD

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