17.02.2017

Wüstenheiliger oder Zerstörer der Welten?

Vor 50 Jahren starb J. Robert Oppenheimer. Der „Vater der Atombombe“ hat die öffentliche Wahrnehmung der Wissenschaftler nachhaltig geprägt.

Robert Oppenheimer ist bei Biografen fast ebenso beliebt wie Albert Einstein und Isaac Newton. Die Lebensgeschichte des „Vaters der Atombombe“ symbolisiert für einige den Sündenfall der Physik. Andere stilisieren ihn zum romantischen Genie, unfähig, das Entsetzen über die zerstörerischen Folgen seiner Entdeckung durch rationale Erwägungen zu bezwingen.

Geboren 1904 als Sohn deutsch-jüdischer Einwanderer in New York, studierte Robert Oppenheimer zunächst Chemie und dann Physik. 1926 war er in Göttingen bei Max Born – aus dieser Zeit stammt die Born-Oppenheimer-Näherung (bis heute seine meist zitierte Arbeit). Nach einer Assistenzprofessur in Berkeley, Kalifornien besuchte er 1929 nochmals Europa und arbeitete mit nahezu allen Theoretikern, die in der Quantentheorie eine führende Rolle spielten. In den 1930er-Jahren bildete er in Berkeley eine neue Generation amerikanischer Theoretiker aus und legte damit wichtige Grundlagen für den Aufstieg der amerikanischen Physik zur Weltspitze. Daneben interessierte sich Oppenheimer auch für Buddhismus und Hinduismus und lernte Sanskrit. 1942 übertrug ihm die amerikanische Regierung die Leitung ihres Atombombenprojekts.

Auf einem Hochplateau in der Wüste von New Mexiko entstand das geheime Forschungslabor von Los Alamos, in dem sich die hellsten Köpfe der Zeit, unter ihnen viele europäische Emigranten, versammelten, um den Wettlauf gegen Nazi-Deutschland zu gewinnen. Nach einem erfolgreichen Test im Juli 1945 in der Wüste von Alamogordo, wurden im August zwei Bomben auf Japan abgeworfen. Die Militärs rechtfertigten die Entscheidung mit einem schnellen Ende des Kriegs gegen Japan. Oppenheimer war für einige Jahre der bekannteste und einflussreichste Wissenschaftler Amerikas.

Angesichts der ungeheuren Zerstörungskraft der Bombe warnte der weitblickende Physiker bereits bei seinem Abschied von Los Alamos im November 1945 vor den Gefahren der atomaren Aufrüstung. Er weigerte sich 1951, an der Entwicklung der Wasserstoffbombe mitzuarbeiten. Seine kritische Haltung wurde ihm während der McCarthy-Ära zum Verhängnis. 1953 schloss man ihn von der Mitarbeit an geheimen Regierungsprojekten aus, und ein Jahr später musste er sich vor der Atomenergiekommission wegen seines früheren Umgangs mit „Kommunisten“ verantworten. Die Anhörung endete damit, dass Oppenheimer die Sicherheitsberechtigung entzogen wurde. Erst 1963, vier Jahre vor seinem Tod am 18. Februar 1967, wurde er von Präsident John F. Kennedy rehabilitiert.

Einiges spricht dafür, dass der „Fall Oppenheimer“ das öffentliche Bild des Wissenschaftlers stärker geprägt hat, als viele andere Biografien des 20. Jahrhunderts. Allein zwischen 1953 und 2012 erschienen mehr als 30 biografische Werke über ihn. Lindsey Michael Banco, Englisch-Dozent an der Universität von Saskatchewan (Kanada) hat die Vielzahl der Oppenheimer-Biografien zum Anlass für eine Studie genommen, die zuerst 2012 in der Fachzeitschrift „Biography“ erschienen ist und später zu einem Buch wurde. Er zeigt anhand des Vergleichs von Oppenheimer-Biografien aus dem Jahr 2005, dass diese nicht zuletzt „historische Konstruktionen seiner Person“ sind. Sie sagen vor allem etwas darüber aus, welche gesellschaftliche Rolle die Biografen einem Wissenschaftler zuschreiben.

Die Biografie „American Prometheus: The Triumph and Tragedy of J. Robert Oppenheimer“ von Kai Bird und Martin Sherwin ist das Ergebnis einer 25-jährigen Forschungsarbeit. Sie wurde von den Rezensenten hoch gelobt und 2006 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Auffällig ist daran, dass die Autoren ausführlich auf Oppenheimers emotionales Verhältnis zu der Wüstenlandschaft um Los Alamos eingehen. Sie schildern ihn als Künstler, verliebt in die Schönheit der Landschaft. Er wird in der kahlen Landschaft zum Schöpfer einer neuen und komplizierten Waffe, die den Zweiten Weltkrieg beenden wird. Damit stilisieren Bird und Sherwin Oppenheimer zum romantischen Genie. Aus Sicht der Autoren wird Oppenheimer seine emotionale Haltung zum Verhängnis, als er nach dem Krieg wiederholt vor den Gefahren der atomaren Zerstörung warnt. In der Öffentlichkeit entstehen Zweifel an seiner Zuverlässigkeit als Wissenschaftler, von dem erwartet wird, dass er seine Gefühle rationalen Überlegungen unterordnet, „selbst um den Preis eines Bruchs mit der Menschheit“, so Banco.

Ein anderes Bild zeichnet David Cassidys Buch „J. Robert Oppenheimer and the American Century“. Hier erscheint der Wissenschaftler als Zauberlehrling, der ungeahnte Kräfte entfesselt. Banco macht dies unter anderem daran fest, dass Cassidy bei der Schilderung des ersten Atombombentests nicht von einem „Pilz“ spricht, sondern von einer „feurigen Hand, die sich aus der Wüste von New Mexico gen Himmel streckt“. Diese Hand wird später in der Geschichte auch die zentrale Metapher, durch die Oppenheimer gegenüber Präsident Truman seine Schuld ausdrückt. Wie Macbeth klagt er über Blut an seinen Händen. Das „Atom geöffnet“ und „seine Geheimnisse enthüllt“ zu haben – das wird in Cassidys Interpretation zu Oppenheimers Verhängnis. Die Folge ist eine Skepsis der Gesellschaft gegenüber Wissenschaftlern, die bis heute spürbar ist.

Jenseits dieser Interpretationen lohnt es sich, Oppenheimers eigene Worte zu lesen, etwa seine Abschiedsrede in Los Alamos am 2. November 1945, die auch heute noch einen tiefen Eindruck hinterlässt. Dort appelliert er an seine Kolleginnen und Kollegen: „Wir sind nicht nur Wissenschaftler, wir sind auch Menschen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir von unseren Mitmenschen abhängen. Ich meine nicht nur unsere materielle Abhängigkeit, […] Ich meine damit auch unsere tiefe moralische Abhängigkeit, insofern als der Wert der Wissenschaft in der Welt der Menschen liegen muss, und dort alle unsere Wurzeln liegen. Das sind die stärksten Bande in der Welt, stärker noch als jene, die uns miteinander verbinden.“

Anne Hardy

 

 

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