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Neue Erkenntnisse zu den überlichtschnellen Neutrinos beim Opera-Experiment deuten auf mögliche Fehlerquellen hin.
Als Forscher des Opera-Experiments im italienischen Untergrundlabor Gran Sasso im September 2011 Daten veröffentlicht hatten, die auf überlichtschnelle Neutrinos hindeuteten, verbreitete sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer. In den Medien blühten die Spekulationen über eine Umwälzung der Physik. Die Physik-Community machte sich vor allem auf die Suche nach möglichen Fehlerquellen.
Die Opera-Daten beruhten auf der Beobachtung von rund 16.000 Neutrinoereignissen seit 2009. Die Partikel stammen dabei vom 730 Kilometer entfernten europäischen Kernforschungslabor Cern in Genf, wobei die Entfernung zwischen den beiden Laboren bis auf 20 Zentimeter genau bekannt ist. Das Ergebnis: Die Geschwindigkeit der Neutrinos liegt 20 ppm (parts per million) über der Lichtgeschwindigkeit. Das bedeutet, die beobachteten Neutrinos sind rund 60 Nanosekunden schneller, als es Einsteins spezielle Relativitätstheorie erlaubt.
Nun hat die Opera-Kollaboration verkündet, zwei mögliche Effekte identifiziert zu haben, die einen Einfluss auf die Messung der Neutrino-Flugzeit haben könnten: Der eine Effekt hängt mit den Glasfaserverbindungen zusammen, die das GPS-Signal zum unterirdischen Opera-Experiment übertragen. Dieser könnte bewirkt haben, dass der Haupttaktgeber bei der Messung nicht korrekt funktioniert hat und die Neutrino-Flugzeit unterschätzt wurde. Ein zweiter Effekt betrifft den Oszillator, der die Zeitmarken für die GPS-Synchronisierung setzt. Dieser könnte allerdings dazu geführt haben, dass die Flugzeit der Neutrinos sogar noch zu hoch eingeschätzt wurde. Das allein würde also nicht gegen die Überlichtgeschwindigkeit sprechen.
Die offene Frage ist somit, wie stark sich die beiden möglichen Effekte auf die Messungen der Opera-Kollaboration ausgewirkt haben. Dafür sind weitere Messungen mit kurzpulsigen Neutrino-Strahlen notwendig, die für Mai geplant sind. Die Chancen auf eine Widerlegung der Relativitätstheorie oder spektakuläre Effekte einer neuen Physik sind nun zumindest geschrumpft.
Alexander Pawlak