Zuverlässigere Prognose für das Christkind
Mit Methoden der Statistischen Physik lässt sich die Vorwarnzeit für das Klimaphänomen El Niño deutlich steigern.
In unregelmäßigen Abständen kommt es auf der Südhalbkugel etwa zur Weihnachtszeit zu einem Phänomen mit bisweilen katastrophalen Folgen: El Niño (spanisch für Christkind) sorgt unter anderem für leere Fischernetze, sturzbachartige Regenfälle, Dürren und Wirbelstürme. Kaum möglich war bislang eine zuverlässige Prognose dieses Ereignisses über längere Zeiträume hinweg. Ein methodischer Durchbruch in der El Niño-Vorhersage ist nun einem internationalen Forscherteam gelungen, zu dem u. a. die Gießener Physiker Armin Bunde und Josef Ludescher sowie Joachim Schellnhuber vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) gehören. Die Ergebnisse verlängern den Prognose-Zeitraum erheblich, von bislang nur sechs Monaten auf zwölf bis achtzehn Monate. Gleichzeitig ist es gelungen, die Treffsicherheit der Warnungen vor El Niño deutlich zu verbessern. Die Wissenschaftler untersuchten mit Hilfe moderner Methoden aus der Statistischen Physik Zusammenhänge im Messnetz und spürten dabei verborgene Fernwirkungen auf.
Abb.: Überschwemmungen können eine Folge von El Niño sein. (Bild: D. Gatley, FEMA)
Seit den 1950er-Jahren gibt es im tropischen Pazifik ein Messnetz zur Beobachtung von außergewöhnlichem Verhalten der Wasser- und Lufttemperatur. Dieses Netz besteht aus vierzehn Messpunkten auf der west-östlichen Zugbahn des El Niño und 193 Punkten außerhalb der Zugbahn im Pazifk. Die Stärke der Fernwirkung zwischen den Temperaturschwankungen an zwei Messpunkten wird bestimmt durch ihren statistischen Zusammenhang. Die Methode der dynamischen Kreuzkorrelationsanalyse erlaubt es, echte Fernwirkungen von zufälligen Übereinstimmungen zu unterscheiden. Entsprechend einer internationalen Konvention spricht man von einer El Niño-Episode, wenn der Temperatur-Index mindestens fünf Monate lang um 0,5 °C über dem Normalwert liegt. Die Forscher fanden nun heraus, dass schon im Jahr vor dem Ausbruch eines El Niño die Fernwirkung zwischen den Messwerten inner- und außerhalb der Zugbahn deutlich stärker wird. Diesen Effekt nutzten sie für die Festlegung eines Prognose-Algorithmus.
Dabei verwendeten die Wissenschaftler zuverlässige Messwerte aus dem Zeitraum zwischen Anfang 1950 und Ende 2011. Der Zeitabschnitt zwischen 1950 und 1980 diente ihnen als Lernphase für die Festlegung eines Algorithmus für die Bestimmung der Alarmschwellen. Mithilfe dieses Algorithmus ließen sich die El Niño-Ereignisse in der zweiten Periode prognostizieren und mit den tatsächlichen Ereignissen vergleichen. So war es möglich, die Quote falscher Alarme auf unter zehn Prozent zu senken und siebzig Prozent der El Niño-Ereignisse zutreffend zwölf bis achtzehn Monate vor ihrem Eintritt anzukündigen. Damit erweist sich die neue Methode als mehr als doppelt so gut wie die bisherigen Prognoseverfahren mit der gleichen Vorwarnzeit. Auch bei einem Prognosezeitraum von sechs Monaten schneidet die neue Methode deutlich besser ab.
U. Gießen / AH