30.05.2023

Zweifel an Majorana-Qubits

Experimenteller Nachweis von Majorana-Teilchen wahrscheinlich nicht stichhaltig.

Im März 2022 veröffentlichte Microsoft Forschungs­ergebnisse über die Realisierung einer speziellen Art von Teilchen, mit denen man besonders robuste Quanten-Bits herstellen könnte. Forschende der Univer­sität Basel ziehen nun jedoch die Resultate zu diesen Majorana-Teilchen in Zweifel: Durch Berechnungen zeigen sie, dass sich die Ergebnisse auch anders erklären lassen.

Abb.: Unordnung in sehr dünnen Nano­drähten kann zu Mess­ergebnissen...
Abb.: Unordnung in sehr dünnen Nano­drähten kann zu Mess­ergebnissen führen, die als Hinweise auf Majorana-Teilchen fehl­interpretiert werden könnten. (Bild: U. Basel)

Im Jahr 1938 verschwand ein Genie plötzlich spurlos: Nach dem Kauf eines Fährtickets Palermo-Neapel blieb der junge italienische Physiker Ettore Majorana wie vom Erdboden verschluckt. Wenige Monate zuvor hatte er noch eine höchst seltsame Art von Teilchen postuliert. Diese Teilchen sollten ihr eigenes Anti­teilchen sein und keine elektrische Ladung haben. Seit einigen Jahren interessieren sich Physikerinnen und Physiker wieder verstärkt für die mysteriösen Partikel, die den Namen ihres verschollenen Erfinders tragen. Denn die Teilchen könnten möglicher­weise als besonders robustes Quanten-Bit in Quantencomputern dienen.

Das größte Hindernis beim Bau solcher Computer ist die Dekohärenz – die Tatsache also, dass Störungen aus der Umwelt die empfindlichen Quanten­zustände, mit denen Quantencomputer rechnen, in kürzester Zeit zerstören. Könnte man allerdings Majorana-Teilchen als Quanten-Bits einsetzen, so liesse sich dieses Problem auf einen Schlag lösen, da sie aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften eine eingebaute Immunität gegen Dekohärenz besitzen. Forschende der Universität Basel haben nun die Hoffnung gedämpft, schon bald mit Majorana-Teilchen rechnen zu können. Das Team um Jelena Klinovaja zeigt, dass die im März 2022 von Microsoft veröffentlichte Resultate, nach denen in den Labors des Computer­konzerns experimentell Majorana-Teilchen nachgewiesen wurden, wahrscheinlich doch nicht ganz stichhaltig sind.

„Der Weg, den Microsoft mit seinen Experimenten geht, ist sicher der richtige“, sagt Doktorand Richard David Hess, „doch unsere Berechnungen legen nahe, dass die Messdaten auch mit anderen Effekten erklärt werden können, die mit Majorana-Teilchen direkt nichts zu tun haben.“ Die Suche nach exotischen Teilchen ist Detektivarbeit auf höchstem Niveau, wobei die Ermittler sich auf einige wenige Indizien verlassen müssen. Nach diesen Indizien suchen sie mithilfe eines mit einem Supraleiter verbundenen Nanodrahts aus einem Halbleiter­material. In einem solchen System, so die Vermutung, könnten sich Elektronen und Fehlstellen im Halbleiter zu Quasi­teilchen zusammentun, die sich wie Majorana-Teilchen verhalten.

Durch Strom­messungen hatten die Fachleute von Microsoft eine für solche Majorana-Zustände charakteristische Anomalie nachgewiesen und auch gezeigt, dass sich die supra­leitenden Eigenschaften des Supraleiter-Nanodraht-Gespanns bei Anlegen eines Magnetfeldes in einer Art und Weise ändern, die auf eine topo­logische Phase hindeuten. In der Mathematik kann man Topologie damit veranschaulichen, dass sich zum Beispiel eine Kaffeetasse mit Henkel theoretisch zu einem Donut, nicht aber zu einer Kugel verformen lässt. Bei Majorana-Zuständen führt die Topologie dagegen zu der begehrten Immunität gegen Dekohärenz.

„Wir haben nun die Experimente von Microsoft mathematisch modelliert und versucht herauszufinden, ob es für die Messergebnisse auch andere – im Jargon triviale - Erklärungen gibt“, erklärt Postdoc Henry Legg. Tatsächlich kamen die Basler Forschenden zu dem Schluss, dass sich sowohl die Strom-Anomalie als auch die supra­leitenden Eigenschaften durch eine leichte Unordnung aufgrund von Fremdatomen im Nanodraht reproduzieren lassen. „Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Unordnung in solchen Experimenten eine wichtige Rolle spielt“, sagt Jelena Klinovaja. Um Majorana-Zustände zweifelsfrei nachzuweisen und sie dann auch in Quanten­computern einzusetzen, brauche man daher letztendlich noch reinere Nanodrähte. 

U. Basel / JOL

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