Alexander Pawlak • 6/2017 • Seite 26Erklärer oder Lügner?
Die drei Teilnehmer einer Podiumsdiskussion in Stuttgart befassten sich mit „Wissenschaftsjournalismus in Zeiten der Lügenpresse“.
Presse und Journalismus erleben schwere Zeiten, wenn es um die Anerkennung ihrer Glaubwürdigkeit geht. Soziale Medien übernehmen vielfach Nachrichtenfunktion. Das birgt einerseits Chancen für eine aktivere Beteiligung der Öffentlichkeit, eröffnet aber auch einfache und schnelle Möglichkeiten, Falschinformationen („Fake News“) zu streuen. Gleichzeitig scheint die Skepsis gegenüber etablierten Zeitungen oder den öffentlich-rechtlichen Medien zu wachsen. Bei einer repräsentativen Studie zur Glaubwürdigkeit der Medien, die infratest dimap im Auftrag des WDR durchgeführt hat, hielten 20 Prozent der Befragten den Begriff „Lügenpresse“ im Zusammenhang mit Medien für richtig.
Diese durchaus besorgniserregende, aber auch diffuse Stimmungslage war Anlass für ein ungewöhnliches DPG-Industriegespräch in Stuttgart. Statt um ein industrienahes Physikthema ging es dabei um die Frage, ob auch der Wissenschaftsjournalismus mit wachsendem Misstrauen oder gar dem Lügenpresse-Vorwurf zu kämpfen hat. Dafür hatte Karsten Vetter vom Arbeitskreis Industrie und Wirtschaft (AIW) erfahrene Wissenschaftsjournalisten eingeladen (Kasten).2) Die Moderation übernahm Gerhard Samulat, DPG-Vorstandsreferent für Pressearbeit.
„Die kritischen Stimmen sind zahlreicher geworden, schon durch die neuen Möglichkeiten im Internet“, sagt Wissenschaftsblogger Lars Fischer. Noch vor wenigen Jahren sei das Publikum grundsätzlich konstruktiv eingestellt gewesen, allenfalls Einstein-Widerleger oder „Cranks“ hätten sich mit Fundamentalkritik an der Wissenschaft zu Wort gemeldet: „Das hat sich geändert, abhängig vom Thema.“ Eine große Gruppe der Kritiker lehne Wissenschaft oder Journalismus gar nicht grundsätzlich ab, artikuliere aber ein massives Unbehagen gegenüber den Medien. „Diese Leute sind der Ansicht, dass wir ‚Systempresse‘ sind“, so Fischer. Je politisch kontroverser ein Thema, umso eher käme es auch zu generellen Vorwürfen, etwa dass die Medien vom Staat gesteuert seien. „Bei einer Sendung, die sich mit der Frage befasste, ob Glyphosat krebserregend sei, gingen Programmbeschwerden ein, die vor dem Fernseh-Ausschuss diskutiert werden mussten“, berichtet Martin Schneider vom SWR. Die Kritik, der Beitrag sei zu verharmlosend, paart sich mit dem Verdacht, die Berichterstattung sei von der Industrie gekauft...
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