Richard Feynman war nicht nur ein genialer Physiker, sondern auch ein engagierter und mitreißender Vortragender. (Foto: Tamiko Thiel, vgl. S. 57)
Physik Journal 6 / 2018
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Mit Teilchendetektoren gegen Atomwaffen
Myonen-Radiographie und Antineutrinomessungen können helfen, mögliche Entwendungen abgebrannter Brennelemente aus Zwischenlagern zu detektieren.
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Im NanoRack zur ISS
Die Experimente von drei Studierendenteams wurden beim Überflieger-Wettbewerb von DLR und DPG ausgewählt und fliegen in diesem Jahr zur Internationalen Raumstation.
Nicht viel größer als eine Brotdose, leichter als 10 kg, betrieben per USB-Anschluss – das sind nur einige der zahlreichen Spezifikationen, welche die ausgewählten Experimente des Überflieger-Wettbewerbs erfüllen müssen.
Aber damit ist es längst nicht getan: Neben den harten Randbedingungen an das Experiment, die zu einem großen Teil der Sicherheit dienen, galt es für die erfolgreichen Studierendenteams zudem, einen extrem knappen Zeitplan einzuhalten. Im Dezember 2016 haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) Studierende aller Fachrichtungen von deutschen Hochschulen aufgerufen, ihre Ideen für ein Experiment auf der Internationalen Raumstation bis Ende Februar 2017 einzureichen. Anfang Mai fand der Auswahlworkshop in Bonn statt, auf dem Studierendenteams der Universitäten Duisburg-Essen, Frankfurt am Main und Stuttgart als Überflieger ausgewählt wurden. Um ihre Ideen Wirklichkeit werden zu lassen, blieb ein Dreivierteljahr Zeit. Zudem standen jedem Team 15 000 Euro zur Verfügung.
Bereits im Internationalen Jahr des Lichts hatten DLR und DPG gemeinsam einen Schülerwettbewerb ausgeschrieben. „Die Resonanz dazu war phänomenal. Wenn wir uns zusammenschließen, können wir viel mehr erreichen als allein“, betont Arnulf Quadt, der im DPG-Vorstand für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Nach der Bekanntgabe, dass Alexander Gerst für seine nächste Mission ausgewählt ist, habe es daher nahegelegen, die Zusammenarbeit wieder aufleben zu lassen. Das Ergebnis ist neben dem Überflieger-Wettbewerb das Schulheft „Mit Astronauten ins Weltall“ mit Materialien und Mitmach-Experimenten für die dritte bis sechste Klasse.1) „Das Heft wurde uns regelrecht aus der Hand gerissen“, freut sich Quadt.
Auch die Resonanz auf den Überflieger-Wettbewerb war beeindruckend, sodass bereits die Vorauswahl schwer fiel. Nur acht Teams bekamen im Mai 2017 die Gelegenheit, ihre Experimentidee in einem 45-minütigen Vortrag zu präsentieren und anschließend in einer ebenso langen Diskussion mit einer Fachjury zu verteidigen. „Das lief ab wie bei der Begutachtung eines großen wissenschaftlichen Projekts“, erklärt Gert-Ludwig Ingold, DPG-Vorstand für Bildung und wissenschaftlichen Nachwuchs, der als eines der Jurymitglieder die Qual der Wahl hatte. „Das Niveau war erstaunlich hoch. Es war beeindruckend zu sehen, wie professionell die zum Teil noch sehr jungen Studierenden ihre Ideen präsentiert haben“, unterstreicht er. (...)
Überblick
Phasensprünge in der Zeit
In Quantenvielteilchensystemen reicht allein die zeitliche Entwicklung aus, um ein dynamisches Analogon zu Phasenübergängen hervorzurufen.
Phasenübergänge sind uns aus dem Alltag wohlbekannt: Eis schmilzt in der Sonne, Teewasser kocht im Kessel. Doch diese Phasenumwandlungen dauern ihre Zeit. Anders in der Quantenwelt: Dort kann ein Vielteilchensystem allein durch zeitliche Entwicklung dynamisch ein Analogon zu einem Phasenübergang durchlaufen, wobei sich gewisse physikalische Größen schlagartig in der Zeit ändern.
Makroskopische physikalische Systeme zeigen ein bemerkenswert universelles Verhalten. Unabhängig davon, in welchem Zustand sie anfänglich vorliegen, finden sie sich nach ausreichend langer Wartezeit in einer bestimmten Klasse von Zuständen wieder − dem thermodynamischen Gleichgewicht. Entscheidend für das Erreichen eines Gleichgewichtszustandes ist die Ergodizität des Systems, also im Wesentlichen seine Fähigkeit, beliebige Zustände, die mit den Werten weniger Erhaltungsgrößen im Anfangszustand kompatibel sind, dynamisch zu erreichen. Die Theorie der Vielteilchensysteme ist bemerkenswert erfolgreich darin, solche Gleichgewichtszustände zu beschreiben und zu verstehen. Experimentelle Fortschritte haben jedoch in jüngerer Zeit neue Möglichkeiten eröffnet, bisher unerreichte Einblicke in die Dynamik von Zuständen jenseits des Gleichgewichts in quantenmechanischen Vielteilchensystemen zu gewinnen. Die dort untersuchten Systeme sind so hermetisch von ihrer Umgebung isoliert, dass sie über lange Zeit eine nahezu perfekt quantenmechanisch kohärente Dynamik fernab des Gleichgewichts zeigen, anstatt rasch zu thermalisieren, also dynamisch dem thermodynamischen Gleichgewicht entgegenzustreben. Das Fehlen bewährter theoretischer Zugänge für solche Szenarien macht es schwierig, sie systematisch und allgemein zu beschreiben.
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Stay Cool!
Wie können ressourceneffiziente Materialsynthesen nahe Raumtemperatur herkömmliche Hochtemperatursynthesen ersetzen?
Brennen, Schmelzen, Sintern – das sind typische Hochtemperaturschritte in der Herstellung vieler Materialien und Werkstoffe. Diese weit verbreiteten und optimierten Prozesse sind aber nicht notwendigerweise energieeffizient und umweltfreundlich. Die Erforschung von Alternativen hat längst begonnen.
Die typischen Synthesen für anorganische Konstruktions- und Funktionswerkstoffe beinhalten in vielen Fällen mindestens einen Hochtemperaturschritt, der nicht selten Temperaturen über 1000 °C erfordert. Unter Metallen ist die Roheisengewinnung bei Temperaturen bis zu 2000 °C im Hochofen ein bekanntes Beispiel (1,2 Milliarden Tonnen pro Jahr weltweit). Ähnlich energieaufwändig ist die Herstellung von Silizium aus Quarzsand oder von Titan aus Rutil. Besonders viel Energie und Rohstoff sind nötig, um Aluminium zu erzeugen (60 Millionen Tonnen pro Jahr): Dafür wird Bauxit im Bayer-Verfahren nasschemisch aufgeschlossen, also in eine wasserlösliche Verbindung überführt, und anschließend das aluminiumhaltige Filtrat bei 1300 °C zu Aluminiumoxid entwässert. Dieses wird in einer Schmelzflusselektrolyse bei 950 °C unter Verbrauch von Kryolith und Kohleelektroden zu glutflüssigem Aluminium reduziert. Bei den oxidischen Materialien sind die großtechnischen Hochtemperaturprozesse Kalkbrennen, Glas- und Zementproduktion (4,1 Milliarden Tonnen Zement pro Jahr) gigantische Energieverbraucher und CO2-Erzeuger. Doch auch in der Herstellung von spezialisierten Funktionsmaterialien, wie Ferromagneten, Di- und Ferroelektrika oder Supraleitern, kommen hohe Temperaturen zum Einsatz.
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Lehre
Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
Multiple Repräsentationen und Visualisierungen können Lehren und Lernen unterstützen.
Mit neuen Medien lassen sich Fachinformationen schnell und vielfältig präsentieren. Wie dies lernwirksam zu nutzen ist, wird hier nicht ausführlich zu erklären sein. Zumindest ist es aber möglich, einige grundlegende Richtlinien und Lehr-Lern-Konzepte zusammenzufassen.
Sachverhalte lassen sich in verschiedenen Darstellungen präsentieren. Dabei kommen unterschiedliche Aspekte zum Tragen. Multiple Repräsentationen stellen mehrere Darstellungsformen zusammen, z. B. Grafiken, Diagramme, Schaltskizzen oder Texte und Formeln. Sie verknüpfen verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten und beleuchten damit einen Sachverhalt aus unterschiedlichen Perspektiven. Bei komplexen Themen sind multiple Repräsentationen daher ein wichtiges Hilfsmittel.
Die Theorie der dualen Codierung unterscheidet grob zwischen verbalen und bildhaften Darstellungen und Repräsentationssystemen [1], was aktuelle Modelle weiter präzisieren [2, 3]. Auch neurophysiologische Befunde belegen, dass bei der Verarbeitung von Bild und Sprache unterschiedliche Bereiche des Gehirns aktiv sind. Schon der Informationsfluss ist dabei prinzipiell verschieden: Sprache organisiert sequenziell – Wort für Wort und Satz für Satz. Bildhafte Darstellungen bieten dagegen mehrere Zusammenhänge simultan an, z. B. das Bild eines experimentellen Aufbaus, Moleküldarstellungen oder Diagramme von Messdaten.
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Geschichte
Genial in Gemeinschaft
Zum 100. Geburtstag des Physik-Nobelpreisträgers Richard P. Feynman (1918 – 1988)
Um keinen anderen amerikanischen Physiker hat sich ein ähnlicher Geniekult entwickelt wie um Richard Feynman. Dazu haben sein öffentliches Auftreten und seine autobiografischen Schriften sicher wesentlich beigetragen. Feynman war ein brillanter Wissenschaftler und eine originelle Persönlichkeit, aber kein „einsames“ Genie. Eine historische Perspektive zeigt, dass er mit seinen physikalischen Arbeiten und seinem Denkstil in der Community verankert war.
Im Juni 1947 traf sich auf Shelter Island, einer kleinen Insel vor New York, ein exklusiver Kreis von zwei Dutzend der führenden Physiker in den USA, unter ihnen John von Neumann, J. Robert Oppenheimer, John A. Wheeler und der aufstrebende Richard Feynman. In lockerer Atmosphäre diskutierten sie die neuesten Entdeckungen aus der Elementarteilchenphysik und der Quantenelektrodynamik. Diese beiden Teilbereiche entwickelten sich zu zwei der Hauptforschungsrichtungen der Nachkriegsphysik der USA.
In dieser Periode veränderte sich der pragmatische Forschungsstil der 1920er-Jahre, demzufolge es die Aufgabe des Physikers nur war, messbare Größen vorherzusagen. Wie der Weg dorthin genau aussah, spielte dagegen keine Rolle, ebenso wenig philosophische Reflexionen. Dieser Stil verband sich nach Kriegsende mit der Arbeitsweise junger theoretischer Physiker, die eng mit Experimentalphysikern kooperierten und deren Bedürfnisse genau kannten.
Insbesondere in der Teilchenphysik und der Militärforschung verschmolz die Arbeit von Experimentatoren und Theoretikern so, dass sich der alte pragmatische Stil zu einem „pragmatic, utilitarian, instrumental style“ weiterentwickelte, der von den experimentellen Möglichkeiten der Instrumente der Großforschung bestimmt war.2) Wie stark Richard Feynman an diese Community und ihren Stil gebunden war, soll im Folgenden untersucht werden. (...)