23.08.2007

American Hegemony and the Postwar Reconstruction of Science in Europe

Krige, J.

Der gebürtige Südafrikaner John Krige, Professor an der Georgia Tech in Atlanta, ist bekannt für seine Studien zur Geschichte des CERN und der Europäischen Weltraumagentur ESA. Im vorliegenden Buch strebt er eine breitere Analyse der US-amerikanischen Wissenschaftspolitik an, in der er beschreibt, mit welchen Mitteln im Nachkriegs-Europa die Dominanz amerikanischer Forschungs- und Entwicklungsarbeit aufrechterhalten und weiter ausgebaut wurde.
Kriges provokative These ist, dass dies unter bewusstem Einsatz von Ressourcen geschah, mit denen gezielt autonome europäische Entwicklungen unterbunden werden sollten. Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn nicht auch die westeuropäischen Staaten an dieser „co-production of American hegemony“ (Kap. 1) mitgewirkt hätten, z. B. durch bereitwillige Übernahme amerikanischer Reaktor-Prototypen oder von Organisationsformen, die es der USA leicht machten, die europäische Forschungslandschaft nach ihrem Muster zu rekonfiguieren.
Behandelte Fallbeispiele sind u. a. der Marshall-Plan und die Gründung der NATO (Kap. 2), die Forschungsförderung der Rockefeller Foundation in Nachkriegs-Frankreich, mit der u. a. der dort starke Kommunismus bekämpft werden sollte (Kap. 4–5). Weitere Beispiele sind die Förderung des Kopenhagener Niels Bohr Institute for Theoretical Physics durch die Ford Foundation im Kontext eines „intellectual cold war“ (Kap. 6) und die NATO-Förderung von „operations research“ des Stils, wie er sich in den USA während des zweiten Weltkrieges herausgebildet hatte, durch den MIT Professor Philip Morse (Kap. 8).
Selbst die Gründung von CERN wird aus diesem Blickwinkel amerikanischer Interessenpolitik im kalten Krieg interpretiert, belegt durch Zitate aus unveröffentlichten Memoranden und Berichten von Isidor Rabi, Hans Bethe und anderen an der Gründung von CERN beteiligten Physikern (Kap. 3). Dabei wird deutlich, wie damals im Vordergrund stand, durch die Gründung eines internationalen Forschungszentrums, das nicht direkt die für Deutsche noch verbotene angewandte Kernphysik betrieb, aber thematisch nah dran war, alle europäischen Hochenergiephysiker in internationale Netzwerke einzubinden. Auf diese Weise ließen sich elegant nationale Alleingänge verhindern, die leicht in unkontrollierbare, militärisch ausgerichtete Projekte hätten einmünden können.
Durch die Betonung der politischen Hintergründe kommt mir der jeweilige wissenschaftliche Problemkontext, in dem viele der obigen Maßnahmen auch gesehen werden müssen, zu kurz. Trotzdem: ein für alle an Fragen der Wissenschaftspolitik und des transatlantischen Verhältnisses interessierte Leser provokatives Buch, denn die Tendenz einer Instrumentalisierung von Wissenschaft und Technik für Ziele der US-Politik wie George W. Bushs „enduring freedom“ besteht bis heute.
Prof. Dr. Klaus Hentschel, Abt. Geschichte der Naturwissenschaften und Technik, Universität Stuttgart

J. Krige: American Hegemony and the Postwar Reconstruction of Science in Europe
MIT Press, Cambridge 2006, 384 S., geb., ISBN 9780262112970

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