24.10.2006

Auf den Schultern von Riesen und Zwergen

Renn, J.

Im „Einstein-Jahr“ 2005 befassten sich unzählige Aufsätze und Bücher mit den bahnbrechenden Arbeiten Albert Einsteins, der wie kein anderer die Physik des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Auch Jürgen Renn schildert im vorliegenden Buch die durch Einstein eingeleiteten tiefgreifenden Veränderungen unserer Begriffe von Raum, Zeit, Materie, Strahlung und Schwerkraft. Der Autor unternimmt den Versuch, „Einsteins bis heute nicht abgeschlossene Revolution als das Ergebnis langfristiger Entwicklungen verständlich zu machen“.
Jürgen Renn gehört ohne Zweifel zu den besten Kennern der wissenschaftshistorischen Aspekte von Einsteins Werk. Besonders intensiv hat er sich mit dem langen, beschwerlichen Weg zur Allgemeinen Relativitätstheorie befasst und dazu maßgebliche detaillierte Arbeiten verfasst. Auch in diesem Buch geht es ihm nicht bloß darum, die wegweisenden Beiträge von Einstein einzeln zu besprechen, sondern er versucht aufzuzeigen, wie scheinbar unterschiedliche Aktivitäten zusammenhängen und zu neuen Einsichten und Entdeckungen führen, kurz, wie es in der Forschung in Zeiten des Umbruchs zugeht. In inhaltlicher Beziehung lässt sich das Buch kaum kritisieren, nur ist dem Rezensenten nicht klar, an wen es sich richtet.
Das erste Kapitel von Renns Buch trägt den Titel „Das Paradox des wissenschaftlichen Fortschritts“ und bildet eine Art theoretischen Rahmen für alles Weitere. Wie oft bei allgemeinen Erörterungen dieser Art weiß ich am Ende nicht recht, was ich gelesen habe. Entweder sind die Aussagen ziemlich banal, von der Art „der Ball ist rund“, oder ich verstehe auch nach wiederholtem Versuch nicht, was gemeint ist.
Die weiteren Kapitel sind u. a. folgenden Fragen gewidmet: „Wie konnte Einstein als Außenseiter eine Revolution der Physik auslösen? Wie sah die Physik zu Einsteins Zeit aus? Wie lässt sich Einsteins Revolution von 1905 als Weiterentwicklung tradierten Wissens verstehen? Wie kam Einstein von der Speziellen zur Allgemeinen Relativitätstheorie?“.
Nun komme ich zur Hauptkritik des Buches. Angeblich richtet es sich an wissenschaftliche Laien. Den Laien, der die eingehenden Erklärungen von Einsteins Arbeiten tatsächlich versteht, würde ich gerne kennenlernen. Die Weglassung von (fast allen) Formeln macht die Lektüre nicht leichter. Selbst Physiker, die mit Einsteins Originalarbeiten nicht vertraut sind, dürften an manchen Stellen mehr Mühe haben als mit der großartigen wissenschaftlichen Biografie von A. Pais. +) Ohne mein eigenes Studium von Einsteins Dissertation würde ich z. B. Renns Ausführungen dazu auf S. 170, auch als emeritierter Professor für theoretische Physik, nicht wirklich verstehen. Renn hat eben die zugehörigen Gleichungen vor seinem geistigen Auge und ersetzt diese durch längere schwierige Ausführungen. Die Schwierigkeiten werden für einen Laien meiner Meinung nach unüberwindlich, wenn Renn in zwei Kapiteln die Entstehung der Allgemeinen Relativitätstheorie beschreibt. Wie soll man diese Teile verstehen, wenn z. B. dauernd von verschiedenen Tensoren und Differentialoperatoren die Rede ist?
Es ist sehr zu hoffen, dass Jürgen Renn gelegentlich die Zeit findet, seine besonderen Kenntnisse und Einsichten in einem Text darzustellen, der für interessierte Laien zugänglicher ist. Wie schwierig dies ist, weiß ich nur zu gut.

Prof. em. Norbert Straumann, Universität Zürich

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