Biophysics: Searching for Principles
William Bialek: Biophysics – Searching for Principles, Princeton University Press, Princeton 2012, 632 S., geb., $95.00, ISBN 9780691138916
William Bialek
Begab man sich bislang auf die Suche nach moderner Fachliteratur zur theoretischen Biophysik, so wurde man eher enttäuscht. Es mag der Interdisziplinarität dieses Gebietes geschuldet sein, dass viele Texte einen einführenden Charakter behalten, um den unterschiedlichen Ansprüchen einer breiten Leserschaft Rechnung zu tragen. Die damit einhergehende Beschränkung auf eher elementare physikalische Prozesse und stark idealisierte biologische Phänomene versperrt so den Blick auf komplexe biologische Systeme im Rahmen der modernen statistischen Physik. Angesichts dieser Situation möchte William Bialek mit seinem Buch nun Abhilfe schaffen. Als Zielgruppe nennt er Doktoranden der theoretischen Physik und setzt eine Vertrautheit mit (teilweise fortgeschrittenen) Konzepten der Quantenmechanik und statistischen Physik voraus. Im Gegenzug liefert Bialek eine nachvollziehbare mathematische Darstellung, die durch ausführliche Anhänge ergänzt wird.
Statt einer klassischen Aufteilung in molekular-, zell- und neurobiologische Fragestellungen ist die Struktur der Diskussion potenzieller biophysikalischer Grundprinzipien untergeordnet. Dieser Zugang erweist sich als ebenso lehrreich wie effektiv. Zu den zentralen Themen, die Bialek diskutiert, zählen die Anpassungsfähigkeit biologischer Systeme an eine stark verrauschte und variierende Umgebung, Fragen nach der Notwendigkeit einer Feinabstimmung von Systemparametern für die Entstehung und Erhaltung biologischer Funktion sowie Aspekte optimierter Informationsrepräsentation und -übertragung. Diese Themen behandelt das Buch übergreifend auf verschiedenen biologischen Ebenen, beispielsweise im Zusammenhang mit Proteinfaltung, der Dynamik neuronaler Ionenkanäle, bakterieller Chemotaxis, Morphogenese der Fruchtfliege oder neuronalen Netzwerken. Besonders hervorzuheben ist der stets vorhandene Bezug zu konkreten Forschungsdaten. Zahlreiche Ergebnisse der experimentellen Literatur sind in optisch einheitlicher Form aufgearbeitet und nahtlos in die Diskussion einbezogen. Der Grad der Idealisierung orientiert sich klar an den Ansprüchen einer quantitativen Beschreibung biologischer Systeme. Zahlreiche in den Text eingebundene Aufgaben festigen und vertiefen die praktischen Fähigkeiten der Modellentwicklung. Der Umfang der Aufgaben reicht dabei von Verständnisfragen und Literaturrecherchen über analytische und numerische Probleme bis hin zu kleineren Forschungsprojekten mit offenem Ausgang. Vervollständigt wird die Darstellung durch ein ausführliches, kommentiertes Literaturverzeichnis. Von einer ausreichenden Menge an Zeit abgesehen, lässt das Buch damit keine Wünsche offen, um sich in die Fragen und Methoden der modernen Biophysik vertiefen zu können.
Dipl.-Phys. Jacob Halatek, Arnold Sommerfeld Center for Theoretical Physics, Statistical and Biological Physics, LMU München