24.06.2011

Chaos

R. Kautz, Chaos – The Science of Predictable Random Motion, Oxford University Press, 2010, 384 S., broschiert, 24,95 £, ISBN 9780199594580

R. Kautz

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In Vorträgen pflegt James A. Yorke, Pionier der modernen Chaostheorie, die Unvorhersagbarkeit chaotischer Bewegung durch ein Doppelpendel-Experiment zu demonstrieren: Schwingt das Pendel um eine vermeintliche Ruhelage oder offenbar kontinuierlich in eine Richtung, so lässt er das Publikum abstimmen, ob dies der Endzustand des Pendels ist oder ob sich die Bewegung doch noch plötzlich ändert. Meist liegt das Publikum falsch. Aus dieser Sicht muss verwundern, wenn ein Buch im Untertitel Chaos als „die Wissenschaft vorhersagbarer Zufallsbewegung“ definiert. Chaos wird so als ein Paradoxon motiviert, das es im Laufe des Buches aufzulösen gilt. Tatsächlich relativiert Richard Kautz später im Text, Chaos sei „nur im Prinzip vorhersagbar, aber nicht in der Praxis“.

Mit dem guten Willen, Chaos intuitiver als über den Begriff des Determinismus zugänglich zu machen, sticht der Autor gleichwohl in ein Wespennest wissenschaftlich bedeutungsvoller Begriffe. Insbesondere im ersten Kapitel habe ich mich mit diesem konzeptuellen Zugang schwer getan. Nach dieser Hemmschwelle hat sich mir allerdings ein brilliant geschriebenes Buch erschlossen, das die Summe eines Wissenschaftlerlebens darstellt, welches sich mit Theorie und Praxis des Chaos befasst hat. Dieses Buch erfüllt voll und ganz den im Vorwort skizzierten Anspruch eines „intellektuellen Raketenschlittens“, der den Leser „aus dem Stand (ohne Vorwissen) mit minimalem Zeitaufwand auf Überschallgeschwindigkeit (Grenzen der Forschung) bringt“. Das Buch füllt damit die Lücke zwischen populärwissenschaftlichen Darstellungen von Chaos und einführenden Lehrbüchern. Es richtet sich an Leser mit mathematischem Vorwissen auf Abiturniveau, weiteres Rüstzeug liefert das Buch auf hervor­ragende Weise.

Tatsächlich schafft das Werk glänzend den Spagat zwischen einer Einführung in elementare Newtonsche klassische Mechanik bis hin zu topologischen Konzepten dynamischer Systeme wie homo- und heteroklinische Orbits, die Bestandteil einer Einführungsvorlesung über nichtlineare Dynamik sind. Der Autor reichert die Darstellung mit persönlichen Anekdoten und praktischen Beispielen von Chaos an, wie der Berg-und-Tal-Bahn auf dem Rummelplatz, sowie mit historischen Ausführungen über die Urväter der Chaostheorie. Hilfreich ist auch die beigefügte CD mit Computeranimationen, die sich gut im Unterricht verwenden lassen.

Alles in allem ist dies zweifellos ein ganz hervorragend und mit viel Herzblut geschriebenes Werk, das ich jedem Leser wärmstens als eine Darstellung fundamentaler Konzepte und Ideen des Chaos ohne viel Mathematik empfehlen kann.

Dr. Rainer Klages, Queen Mary University of London, School of Mathematical Sciences

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