18.09.2003

Concepts of Mass in Contemporary Physics and Philosophy

Jammer

Concepts of Mass in Contemporary Physics and Philosophy

Von M. Jammer.
Princeton University Press, Princeton 2000. XI + 180 S., Cloth,
ISBN 0-691-01017-X

Raum, Zeit und Materie sind grundlegende Begriffe in jeder physikalischen Theorie. Während die Begriffe Raum und Zeit zumindest im Rahmen der Allgemeinen Relativi tätstheorie eine wohldefinierte Rolle spielen, gibt der Begriff der Masse - und damit der Energie - weiter Rätsel auf. Historisch reichen die Vorstellungen von der quantitas materiae der vornewtonschen Naturphilosophie bis zur mass without mass, dem Bestreben, Teilchenmassen als reine Bindungsenergie zu begreifen. Der Ursprung der Massen in der Elementarteilchenphysik gilt noch immer als zentrales ungelöstes Problem.

Im Unterschied zu seinem vor vierzig Jahren erstmals erschienenen Werk Der Begriff der Masse in der Physik geht Max Jammer in dem vorliegenden Band weniger historisch als vielmehr begrifflich vor, dabei die Entwicklungen seit 1960 betonend. Von zentraler Bedeutung sind die Begriffe der trägen Masse m i, der aktiven schweren Masse m a und der passiven schweren Masse m p. Während m a=m p wegen actio gleich reactio schon in der newtonschen Physik gelten muss, erscheint die Gleichheit m i=m p dort nur als zufälliges Faktum. Als (schwaches) Äquivalenzprinzip liefert sie jedoch die Grundlage für die geometrische Sichtweise der Allgemeinen Relativitätstheorie, in der Gravitation Ausdruck raumzeitlicher Krümmung ist. Massenbegriffe wie ADM-Masse oder Bondi-Masse, die in dieser Theorie eine wichtige Rolle spielen, werden aber leider nicht diskutiert.

Breiten Raum bietet der Autor diversen Versuchen, Masse zu definieren. So hat sich beispielsweise Ernst Mach im Rahmen der klassischen Mechanik um eine Definition von m i bemüht. Legt man Newtons Gesetz F=m ia zugrunde, so besteht allerdings die Gefahr eines Zirkelschlusses, nämlich m i über den Kraftbegriff und diesen über m i zu definieren. In der Tat begeht Mach diesen Fehler, wenn er Massenverhältnisse als Beschleunigungsverhältnisse definiert, da hierfür ein Inertialsystem zugrunde gelegt wird, zu dessen Definition man wiederum den Kraftbegriff benötigt. Der dynamische Begriff der Masse lässt sich eben nicht aus den kinematischen Begriffen Raum und Zeit ableiten, zumindest nicht in der vorrelativistischen Physik.

Definitionsversuche dieser Art lassen auch den wichtigen Aspekt unbeachtet, dass die unvermeidbare Wechselwirkung eines Objektes mit seiner Umgebung dessen Masse beeinflusst. Von der Hydrodynamik über die Festkörperphysik bis hin zur Quantenfeldtheorie wird die "nackte Masse" des isolierten Objektes durch diesen Einfluss verändert. In der Quantenfeldtheorie ist sie sogar prinzipiell unbeobachtbar, was als Grundlage der Massenrenormierung zur Elimination von Unendlichkeiten dient. Den Extremfall eines Umgebungseinflusses beinhaltet die Vorstellung, träge Masse sei nicht die Eigenschaft eines isolierten Körpers, sondern das Ergebnis seiner gravitativen Wechselwirkung mit entfernter Materie im Universum und somit kosmologischen Ursprungs. Obwohl eine faszinierende Idee darstellend, konnte diese Spielart des Machschen Prinzips bislang nicht quantitativ durchgeführt werden, wohl vor allem, weil sie zu sehr auf eine Fernwirkungstheorie zugeschnitten ist. Eine Ableitung müsste im Rahmen einer Feldtheorie oder eines noch grundlegenderen Zugangs wie der Stringtheorie erfolgen. Insgesamt bleibt der Massenbegriff, wie der Autor abschließend bemerkt, "still shrouded in mys tery".

Obwohl Jammers Abhandlung nicht in erster Linie der geschichtlichen Entwicklung folgt, finden sich doch zahlreiche Bemerkungen von historischem Interesse. So wird man etwa über Newtons Vorahnung des Nordtvedt-Effektes (mögliche Verletzung des starken Äquivalenzprinzips) informiert oder von Ostwalds Versuch einer Ableitung des (schwachen) Äquivalenzprinzips. Von manch anderer Veröffentlichung hebt sich das vorliegende Werk wohltuend durch seine begriff liche Sorgfalt hervor, ohne dass der Lese genuss darunter leidet. Man wird es immer wieder gerne zur Hand nehmen.
Priv.-Doz. Dr. Claus Kiefer, Fakultät für Physik, Universität Freiburg

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