28.11.2005

David Hilbert and the Axiomatization of Physics (1898-1918)

Corry

Historiker können sich immer des Interesses einer breiteren Leserschaft sicher sein, wenn sie die Leistungen eines der Heroen der Wissenschaft in Frage stellen. Was etwa, wenn nicht Albert Einstein, sondern David Hilbert als erster die Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie zu Papier gebracht hat? Die Diskussion über den (angeblichen) Prioritätsstreit zwischen Hilbert und Einstein wird seit bald zehn Jahren geführt, und die beiden neuen Publikationen zum Einstein-Jahr sind zwei gänzlich verschiedene Resumees zu Hilberts Rolle bei der Relativitätstheorie.

Der gewichtige, aber unnötig teure Band von Corry hat es in sich: Er bietet viel mehr als nur Hilberts Beschäftigung mit der Relativität. Es wird gezeigt, wie und mit welchen Zielen der reine Mathematiker sich seit der Wende zum 20. Jahrhundert für die Physik interessiert hat. Aus der Hoffnung, die Physik durch Axiomatisierung in die Jurisdiktion der Mathematiker überführen zu können, wurde bald eine intensive Auseinandersetzung mit der Vielfalt der physikalischen Erscheinungen: Mechanik, Elektrodynamik, Strahlung, Gastheorie etc. Ab Mitte des Buches wird Hilberts Beschäftigung mit Einsteins entstehender Theorie wiederkehrendes Thema der Analyse, wobei der Autor das formuliert, was man mittlerweile wohl die Standarddeutung von Hilberts Teilhabe an der Relativitätstheorie nennen könnte: Auf der Suche nach einer umfassenden Theorie der Materie kam Hilbert auch zur Frage der Gravitationsgleichungen, worüber er sich mit Einstein austauschte. Unabhängig davon, ob Hilbert vielleicht wirklich als erster die Gravitationsgleichungen nicht nur implizit, sondern in ihrer endgültigen Form niedergeschrieben hat, verfolgte er doch ein anderes Forschungsinteresse als Einstein, dem daher unzweifelhaft der Durchbruch bei dem physikalischen Verständnis des Gravitationsproblems gebührt.

Dieser Interpretation widerspricht auch die Autorin der zweiten Publikation nicht grundsätzlich, wenn man ihrer Argumentation aufmerksam folgt. Doch Wünschs Thema ist es einzig und allein, mit detektivischem Verve dieser Möglichkeit des ¿Vielleicht¿ nachzugehen. Dafür präsentiert sie eine Reihe von Indizien in großer Ausführlichkeit, allen voran den Umstand, dass aus Hilberts ersten Druckfahnen absichtlich nachträglich ein Ausschnitt entfernt worden ist, auf dem die korrekten Gleichungen gestanden haben könnten. Während es bei dieser durchaus anregenden Lektüre inhaltlich letztlich wohl bei einem Ignorabimus bleiben wird, verspricht die anspruchsvolle Darstellung Corrys dem ausdauernden Leser einen wirklichen Erkenntnisgewinn in Bezug auf das Verhältnis von Mathematik und Physik bei der Relativitätstheorie.


Dr. Arne Schirrmacher, Deutsches Museum, Zentrum für Wiss.- und Technikgeschichte, München



Weitere Infos:
L. Corry: David Hilbert and the Axiomatization of Physics (1898-1918)
Kluver, Dordrecht 2004, XVII + 513 S.,
geb.,
ISBN 1-4020-2777-7


D. Wünsch: ¿zwei wirkliche Kerle¿ Neues zur Entdeckung der Gravitationsgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie
Göttingen 2005, 126 S., broschiert,
ISBN 3-938016-04-3



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