Der neunte Kontinent
von Rauchhaupt, U.
Der Mars übt auf Forscher und Laien eine gleichermaßen hohe Faszination aus. Auf seiner Oberfläche floss früher Wasser, eine der Grundvoraussetzungen für Leben. Zudem ist der Mars das einzige denkbare Ziel für bemannte Missionen jenseits des Mondes. Kein Wunder also, dass es eine umfangreiche Literatur über den Mars gibt. Das neueste deutschsprachige Buch dazu stammt vom Wissenschaftsjournalisten Ulf von Rauchhaupt. Mit dem Titel „Der neunte Kontinent“ stellt der Autor den Mars in eine Reihe mit den sieben Kontinenten der Erde und dem Ozeanboden, dem „achten“ Kontinent. In acht Kapiteln spannt er einen weiten Bogen von der antiken Mythologie bis hin zu Gedankenspielen über eine Besiedlung des Roten Planeten. Die einleitenden drei Kapitel führen von den frühen Teleskopbeobachtungen über die ersten Sonden der USA und der UdSSR bis zu den neuen Marsmissionen wie Pathfinder (1996) und dem aktuellen Mars Reconnaissance Orbiter. Die nächsten drei Abschnitte behandeln verschiedene Aspekte der Marswissenschaft, wobei der Suche nach Wasser ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Anschließend geht der Autor der Frage nach dem Leben auf dem Mars nach und gibt eine hilfreiche Einführung in die Astrobiologie. Zum Abschluss beschreibt er verschiedene Szenarien und die zu erwartenden Probleme einer bemannten Reise zum Mars. Ein anderes Thema dieses Kapitels ist das „Terra-forming“, also die planvolle Umgestaltung des Mars mit dem Ziel, für Organismen und letztlich auch für Menschen geeignete Bedingungen zu schaffen. Dieses Kapitel verdient besonders hervorgehoben zu werden, da auch die problematischen Seiten dieser Wunschvorstellungen ausführliche Erwähnung finden und der Autor die oftmals recht naive Begeisterung für diese Ideen keineswegs kritiklos übernimmt. Ein Glossar der in der Marswissenschaft verwendeten geografischen Bezeichnungen sowie ein lobenswert umfangreicher Index ergänzen den Text. Hilfreich wären allerdings weiterführende Literaturhinweise gewesen.
Ulf von Rauchhaupt schreibt routiniert und verzichtet auf Fachjargon. Auch jüngeren Lesern dürfte die Lektüre nicht schwer fallen. Manchmal würde man sich allerdings wünschen, der Autor möge auf allzu saloppe Wendungen („unglaublich“ langsame Verwitterung, „unvorstellbare“ Klimakatastrophen, „lächerlich“ seltene Faktoren) und Effekt heischendes Vokabular („megalo-manisch“ große Lavakegel) verzichten.
Fachlich gibt es wenig auszusetzen. Soweit Fehler auftreten, sind sie für das Verständnis nicht entscheidend. Erwähnt der Autor z. B., dass es nur knapp über ein Dutzend Vulkane auf dem Mars gibt (tatsächlich wurden bereits Hunderte identifiziert), dann ist das für den Leser nicht allzu wichtig, verrät aber, dass von Rauchhaupts Wissen zum Teil oberflächlich ist. Nicht ganz nachvoll-ziehbar ist der nahezu vollständige Verzicht auf Abbildungen. Von Rauchhaupts Begründung, es gäbe genügend Marsbilder im Internet, vermag nicht einzuleuchten. Oft ist bei der Buchlektüre eben kein Zugang zu digitalen Archiven möglich. Besonders die Kapitel über die Marslandschaften würden von Abbildungen profitieren. Die wenigen Bilder in der Buchmitte erscheinen willkürlich ausgewählt und haben keine Verbindung zum Text.
Wer eine leicht lesbare Einführung in die Thematik sucht, der wird bei von Rauchhaupts Buch fündig. Wer sich allerdings schon vorher mit dem Mars beschäftigt hat, dem wird das Buch mit Ausnahme höchstens des letzten Kapitels wenig bringen.
Ernst Hauber
Institut für Planetenforschung, Berlin
U. von Rauchhaupt: Der neunte Kontinent
S. Fischer, Frankfurt a. M. 2009, 288 S., geb., ISBN 9783100629388