19.02.2009

Die Genussformel

Gruber, W.

Wollten Sie schon immer wissen, was sich hinter dem „Wiener Rosinengugelhupfproblem“ verbirgt? Nach der ersten Verblüffung kommt Ihnen vermutlich die Idee, dass es sich bestimmt um etwas Kulinarisches handelt: Wien, Rosinen, Mehlspeis’. Aber halt, es könnte sich doch auch um Statistik handeln. Nehmen wir an, wir backen einen Rosinenkuchen und teilen ihn gemäß der Anzahl der Esser in gleichgroße Stücke und zählen in jedem die Rosinen. Schon haben wir den Salat: Warum hat mein Gegenüber so viele und ich viel zu wenig? Statistik? Nicht ganz, denn wie weit Grubers Überlegungen über simple Ansätze hinausgehen, ist eine wundersame Erfahrung – und symptomatisch für das Buch. Egal ob Gulaschdosen, Knödeldynamik oder Mikrowellen, ob Hendl, Germ oder Krapfen, Gruber kocht, isst und „physikt“ sich dabei durch die Küche und lässt seine naturwissenschaftlich interessierten Leser an seinen Gedanken auf leicht lesbare, populäre und immer flotte Weise teilhaben. So zerpflückt Gruber das Hühnerei in seine Bestandteile und serviert deren physikalische Eigenschaften, etwa den Spannungsverlauf in der Schale bei deren mechani-scher Belastung.
Manchmal ist es allerdings schwer, Aussagen des Autors zu folgen. Etwa wenn er vorschlägt, man möge immer das billigste Salz nehmen, alles sei doch ohnehin nur Natriumchlorid. Für das Nudelwasser sei ihm recht gegeben. Auf dem Tafelspitz, dem gedämpften Fisch oder gar in der Schokolade hängt die Intensität des Salzgeschmacks aber von dem Lösungsverhalten, von Form und Größe der Salzkristalle auf der speichelnassen Zunge ab. Und mitunter sorgen dann doch die eingelagerten Mineralien oder Spurenelemente für so manch seltsam überraschende Spiele auf den Geschmacksrezeptoren. Am Titel gebenden Schlusskapitel „Die Genussformel“ werden sich so manche Geister scheiden. Der Versuch, den Begriff Genuss umfassend und weltformelgleich mathematisch zu erfassen, ist als theoretische Spielerei interessant, bleibt aber trotz vieler Mühen ein eher irreales Modell.
Erwähnenswert sind auch die Illustrationen von Thomas Wizany. In seinen Zeichnungen schafft der Illustrator die nichttriviale Gratwanderung zwischen physikalischem Inhalt und purem Witz. Die Kapitel sind stets mit wunderbaren Rezepten aus der ohnehin genussorientierten österreichischen Küche garniert. Allein diese sind wahre Schmankerl, deren Würzung vom Feinsten sind: Kleine Geschichten, Anekdoten und Kuriositäten aus dem Küchen- und Laborleben des Physikers Gruber erweisen sich schnell als erhei-ternde Amuse-Gueules oder pfiffige Garnituren. Über genussreiches Schmunzeln dürfen sich Autor und Illustrator daher auf jeden Fall sicher sein: Das Buch ist leicht und locker – Verzeihung – lecker geschrieben und ist somit als Lektüre eine wohlbekömmliche und bestens verdauliche Kost – nicht nur für Physiker.
Prof. Dr. Thomas Vilgis, MPI für Polymerforschung, Mainz

W. Gruber: Die Genussformel
Ecowin Verlag, Salzburg 2008, 304 S., geb., ISBN 9783902404596

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