Die perfekte Theorie
P. Ferreira: Die perfekte Theorie, C. H. Beck Verlag, München 2014, 320 S., geb., 24,95 €, ISBN 9783406660474
P. Ferreira
Nach eigenem Bekunden will der Autor, Professor für Astrophysik an der Universität Oxford, die Geschichte der Relativitätstheorie erzählen. Wie er das macht, hat wenig mit professioneller Geschichtsschreibung zu tun, sondern ist von der Art eines Cartoons: Bunte Schlaglichter werden auf wichtige Ereignisse in der Entwicklung der Theorie geworfen, so wie sie von Meinungsführern des Faches vorangetrieben worden ist. Die begriffliche Seite tritt in den Hintergrund gegenüber einer auf die Personen zentrierten Handlung. Einstein spielt eine Rolle in den ersten drei Kapiteln und später noch als Skeptiker gegenüber den Ideen vom Sternkollaps und vom zeitlich veränderlichen Kosmos. Dann treten Eddington, Chandrasekhar, Hoyle, Hawking, Bondi, Sciama und Pirani auf, begleitet von einem „phänomenalen Kreativitätsschub von Größen“ wie Wheeler, der mit seinen Ideen und Studenten ein eigenes Kapitel bekommt, Thorne, Zeldovich, Novikov, Rees und Penrose – neben vielen anderen.
Im Zentrum der gedanklichen Entwicklung stehen die Begriffe des Schwarzen Lochs als Folge des Gravitationskollapses von Sternen sowie des expandierenden Universums, erschlossen aus der Galaxienverteilung und der kosmischen Mikrowellenstrahlung. Alle wichtigen Debatten werden dargestellt, meist als Kampf von Meinungen, etwa über Hoyles „Steady-State-Theory“, das Auftreten von Singularitäten in Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen, die Existenz von Gravitationswellen, die verschiedenen Zugänge zur Quantengravitation, die Stringtheorie und Multiversums-Vorstellung. Ferreira lässt kein Thema aus, seien es anthropisches Prinzip, MOND-Theorie oder Supersymmetrie. Dies geschieht hauptsächlich mit Hilfe von bildhaften Beschreibungen anstelle von Erklärungen, so dass Leser ohne Vorkenntnisse kein tieferes physikalisches Verständnis bekommen können. Es sei denn, sie wenden sich der ausführlichen Bibliografie zu.
In seiner Begeisterung für die Theorie („Das 21. Jahrhundert wird mit Sicherheit das Jahrhundert der allgemeinen Relativitätstheorie“) überschlägt sich der Autor mit Begriffen wie unvorstellbar, gigantisch, unglaublich, unüberwindliche Herausforderung, höllisch kompliziert, mysteriös, magisch usw. An manchen Stellen zeigt sich, dass den Übersetzern Kenntnisse in der Physik fehlen, etwa wenn im Zusammenhang mit dem Pauli-Prinzip an die Stelle von „Elektron“ das Wort „Atom“ gesetzt wird (S. 73), wenn „Näherung“ durch „Annäherung“ (S. 190) und die kosmische Hintergrundstrahlung durchgehend als „Reststrahlung“ bezeichnet wird. Auch das Lektorat scheint recht sparsam zum Einsatz gekommen zu sein. Im Unterschied zum Titel ist das Buch alles andere als perfekt; seinen Unterhaltungswert kann man jedoch kritiklos anerkennen.
Prof. Dr. Hubert Goenner, Institut für Theoretische Physik, Universität Göttingen