18.09.2003

Die relativistischen Paradoxien und Thesen zu Raum und Zeit

Brandes

Die relativistischen Paradoxien und Thesen zu Raum und Zeit

Von J. Brandes.
VRI, Karlsbad 1995. 308 S., 64 Abb., Softcover.
ISBN 3-930879-04-2

Das Grundanliegen dieses Werkes scheint zu sein, eine alternative Interpretation der Relativitätstheorie in den Vordergrund zu rücken, deren Möglichkeit von Lorentz, Ehrenfest u. a., in letzter Zeit von Sexl betont wurde. Dabei wird ein Inertialsystem (IS) ausgezeichnet und dessen Gleichzeitigkeitsbegriff für absolut erklärt. Durch geeignete Definition des Synchronismus in allen anderen IS kann erreicht werden, daß dieser Begriff in keiner Weise mit den experimentell ja bestätigten Folgerungen aus den Lorentz-Transformationen (LT) formal in Konflikt kommt, wie in im Buch zitierten Arbeiten von Havas, Mittelstädt, Sexl u. a. gezeigt wird. Im Buch bleibt es aber bei der üblichen Einsteinsynchronisierung und den LT, der Unterschied bleibt im "Philosophischen". Die Einstein-Synchronisierung in den nicht ausgezeichneten Systemen ist nur zweckmäßig, die zugehörige Zeit "formal", im ausgezeichneten aber "wirklich". Dadurch "erscheinen" alle IS gleichwertig, aber nur relativ zum ausgezeichneten stimmen etwa "gemessene" Längenkontraktionen und Zeitdilatationen mit "wirklichen" überein. Das Relativitätsprinzip gilt nur physikalisch - "meßbare Anteile physikalischer Größen" werden in allen Systemen durch Gesetze derselben Art beschrieben - aber nicht notwendigerweise philosophisch.

Das ausgezeichnete System ist nicht nachweisbar, nicht bezeichenbar, aber trotzdem existent. Es ist zwischen "wirklichen Größen" und "scheinbaren reinen Meßgrößen" zu unterscheiden. Der Min kowski-Raum und seine absoluten Strukturen kodifizieren nur die letzteren, der Philosoph darf unbeschadet seine Augen vor diesen Strukturen verschließen, wenn er will. Etwas verwirrend: "...es ist in einer Diskussion ,didaktisch‘ zulässig, ein beliebiges, besonders geeignetes als das ausgezeichnete IS anzusehen und ,in Gedanken‘ reale Effekte einzuführen." - Diese Interpretation ist eingebettet in Kapitel, die die LT und ihre wichtigsten Konsequenzen studieren, ihre experimentellen Beweise und ihre Herleitung bringen. Einige Paradoxa - vor allem das Zwillingsparadoxon - werden analysiert, wobei (insbesondere den Situationen mit Rotationen) eine vierdimensionale Behandlung gutgetan hätte; neuere Paradoxa wie das Mocanu-Paradoxon und das Ungarsche (Assoziativitäts-)Paradoxon fehlen. - Im allgemein-relativistischen Teil wird in Erweiterung des Vorhergehenden die These vertreten, daß gekrümmte Raumzeit einerseits und normaler euklidischer Raum plus absolute Zeit zusammen mit zusätzlichen Annahmen über Maßstäbe und Uhren im Schwerefeld andererseits gleich gut zur Beschreibung physikalischer Phänomene geeignet sind. Dies mag in vielen Fällen zutreffen, doch dort, wo es mit dem Mannigfaltigkeitsbegriff Ernst wird, gehen die Dinge auseinander, wie die (veraltete) Diskussion des Schwarzschild-Horizontes oder gewisse (abenteuerliche) Aussagen für den endlichen Kosmos zeigen.

H. Urbantke, Wien

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