Die Wissenschaft schlägt zurück
Andreas Müller: Die Wissenschaft schlägt zurück. Kinofilme im Faktencheck, Komplett-Media, Grünwald 2019, 288. S., brosch., 18,99 €, ISBN 9783831204663
Andreas Müller
Science-Fiction-Bücher und -Filme beeindrucken oder verärgern oft genug durch Wissenschaft, „die nie ein Mensch gesehen hat“, um den Vorspann von „Raumschiff Enterprise“ zu zitieren. Der promovierte Astrophysiker Andreas Müller hat dies zum Anlass genommen, zwei Dutzend Kinofilme bzw. Serien einem wissenschaftlichen Faktencheck zu unterziehen.
Beim ersten Durchblättern hat mich das Buch erfreut, denn es ist gut gedruckt, wertig verarbeitet, und die Graphikerin Lydia Kühn hat das Ganze ansprechend und originell gestaltet. Auf den Inhalt war ich gespannt, denn Müller hat über seinen fachlichen Hintergrund hinaus auch Erfahrung als Lexikonautor, Vortragender, „Science YouTuber“ und ist frischgebackener Chefredakteur der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“.
Leider habe ich mich über die Lektüre durchweg geärgert. Gewiss widmet sich Müller dem wissenschaftlichen Faktencheck, aber der gerät mir viel zu kurzatmig, bricht oft genug ab, wenn es interessant wird oder verpasst spannende Themen. Selbst wenn sich das Buch nur an Laien richtet, wäre es doch ganz interessant zu erfahren, warum es so schwierig ist, die „richtige Quantengravitationstheorie“ zu finden (S. 85), oder was sich hinter dem ominösen „Unobtainium“ im Film „Avatar“ verbergen könnte (S. 185). Und für das Kapitel „Killerasteroiden und andere Katastrophen“ gäbe es wunderbare Anknüpfungspunkte zu realen Projekten der Asteroidenabwehr. Doch davon findet sich leider nichts im Buch. Stattdessen erlaubt sich Müller zu viel Leerlauf durch seitenlange Inhaltsangaben oder flapsige Abschweifungen und spekuliert nur mit „Bordmitteln“ darüber, wie „Außerirdische wirklich aussehen“.
Die auf der letzten Seite angegebenen Quellen, weiterführende Literatur und Links lassen für mich keine tiefergehende Recherche erkennen. Das Buch leidet meiner Ansicht nach auch darunter, dass Müller zwar schnell oberflächliche Geschmacksurteile fällt, aber so gut wie nie Interesse an der Entstehungsgeschichte der Filme oder den Intentionen ihrer Macher zeigt. Dadurch entgehen ihm oft genug die interessantesten Bezüge zur Wissenschaft. Etwa bei „Arrival“, wo die Verfilmung gerade die physikalische Pointe der zugrundeliegenden Erzählung von Ted Chiang unterschlägt. Auf den vier Seiten über Kubricks bahnbrechenden Film „2001 – A Space Odyssey“ findet sich nicht viel mehr als eine Inhaltsangabe und ein belangloses „Fazit zum Film“, man erfährt aber nichts über die umfangreichen wissenschaftlichen Vorarbeiten und deren filmische Umsetzung.
Wer sich wie Müller als „echter Trekkie“ bezeichnet, der sollte auch nicht darüber mutmaßen, ob die Macher von „Star Trek: The Next Generation“ Berater konsultiert haben. Einer davon, der Physiker Andrew Bormanis, hat mit „Science Logs“ (1998) sogar ein Buch zu den wissenschaftlichen Hintergründen bei Star Trek geschrieben. Das ist zwar nicht mehr ganz aktuell, dafür aber eine Fundgrube spannender Themen.
Vor allem mit dem Tonfall des Buches hat sich der Autor keinen Gefallen getan. Der Text klingt wie angestrengter Science-Slammer-Jargon und fliegt immer mal wieder aus der geschmacklichen Kurve, etwa beim Film „Interstellar“: „Also erst mal überlebt er [Cooper, die Hauptperson des Films, Anm.] wie durch ein Wunder die Spaghettisierung – gut der Mann [Schauspieler Matthew McConaughey, Anm.] war ‚Sexiest Man Alive‘, kennt sich also mit Nudeln aus…“ (S. 161). Das kann man witzig finden, muss man aber nicht – auch nicht Verballhornungen wie „Schorsch Kluni“, Ausdrücke wie „Teenie-Bratzen“ oder der unpassende Hinweis auf „behaarte Unterschenkel“ von Physikstudentinnen (S. 205).
Mehr Recherche und ein kritischeres Lektorat hätten diesem Buch ganz sicher gut getan. So kann ich es leider nicht empfehlen.
Alexander Pawlak