25.01.2022

Elementary Approach to Special Relativity

Helmut Günther: Elementary Approach to Special Relativity, Springer Nature Singapore 2020, X + 362 S., brosch., 114,39 Euro, ISBN 9789811531705

Helmut Günther

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Die Spezielle Relativitätstheo­rie (SRT) ist ungebrochen populär. Die Einfachheit ihrer Kinematik öffnet auch weniger Spezialisierten ein Fenster zu einer wirklichen Theorie, zu einem Netz verknüpfter Aussagen, die sich aus wenigen oder nur einem seiner Knoten logisch entwickeln lassen. Helmut Günthers originaler Beitrag besteht in der Entdeckung, dass es im realen Kristall Strukturen gibt, welche die Kinematik der SRT abbilden, obwohl es nun um eine Grenzgeschwindigkeit von der Größenordnung der Schallgeschwindigkeit geht. Konstruiert man mit diesen Strukturen Bezugssysteme, dann entsteht ein Modell der SRT. Das ergänzt Einsteins Prinzip der universellen Konstanz der Lichtgeschwindigkeit um eine äquivalente neue Axio­matik.

Die Darstellung beginnt mit der Entwicklung der Wellengleichung aus der inneren Dynamik eines Systems von Massenpunkten wie in der klassischen Mechanik. Das macht den mechanischen Hintergrund sofort präsent – anders als beim unmittelbaren Beginn mit der Wellengleichung. Solange wir nur elastische Verformungen oder Zustandsänderungen des kristallinen Punktsystems in Betracht ziehen, ergeben sich Widersprüche nur für die Eigenschaften der Lichtausbreitung. Die Lage ändert sich, sobald plastische Verformungen im Kristall erlaubt sind.

Bei der Beschreibung der Bewegung von Kristallfehlern tritt eine nichtlineare partielle Differentialgleichung auf: die sine-Gordon-Gleichung. Das bereitet eine Diskussion der Bezugssysteme und ihrer gegenseitigen Beziehungen vor. Einige Lösungen dieser Gleichung stellen teilchenartige Objekte mit eigenem Zeit- und Distanzmaß dar, mit denen sich Bezugssysteme, Uhren und Zollstöcke definieren lassen.

Hier geht es darum, relativistische Strukturen in einer Welt aus Solitonen darzustellen. Der Kristall, dessen Fehlermechanik auf die sine-Gordon-Gleichung führt, stellt das physikalische Vakuum für die Lichtausbreitung dar. Von außen betrachtet bleibt der Kristall ein Objekt der gewohnten Mechanik. Beim Bewegen kontrahieren die Solitonen und schwingen langsamer. Längenkontraktion und Zeitdilatation begründen im Sinne von Einstein „den von Konven­tionen freien Inhalt einer relativistischen Raum-Zeit“. Im Rückgriff auf Poincaré gilt es, die Gleichzeitigkeit zu definieren. Dies gelingt mit einer „elementaren Relativität“: Sie begründet die Existenz einer absoluten Geschwindigkeit, die hier in der Größenordnung der Schallgeschwindigkeit liegt. Daraus entwickelt Günther die Lorentz-Transformation und begründet die Lorentz-Invarianz, um das merkwürdige Auftreten dieser Transformationen in der Mechanik der Solitonen zu verstehen.
Im Anschluss analysiert und konstruiert der Autor die kinematischen Merkwürdigkeiten, welche die SRT einst populär gemacht haben: Zwillingsparadoxon, Doppler-Effekt und Aberration. Die Lösungen der sine-Gordon-Gleichung lassen sich im Innern des Kristalls wie Teilchen behandeln. Daraus ergeben sich die bekannten Beziehungen von Impuls, Ener­gie und Masse. Die Lösungen gestatten in den letzten Kapiteln auch eine neue Sicht auf die Fragen nach Exis­tenz und Verhalten von Tachyonen.

Das Buch lebt von der Darstellung der Physik der Versetzungen, genauer, der lokalisierten Störungen auf diesen Versetzungen, die eine Mechanik von Solitonen begründen. Der ungewohnte Hintergrund macht es nicht in jedem Sinne elementar, die Behandlung der einzelnen Themen sind es aber schon. Mehr als 70 Zeichnungen unterstützen die manchmal etwas längeren, stets nachvollziehbaren Rechnungen. Das Buch enthält darüber hinaus einen Index, ein Glossar der verwendeten Symbole und ein Verzeichnis ausgewählter Literatur.
Die Behandlung der relativistischen Mechanik von Solitonen macht das Buch zu einer Besonderheit in der ansonsten reichen Literatur zur Speziellen Relativitätstheorie.

Prof. Dr. Dierck-Ekkehard Liebscher,
Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP)

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