17.06.2014

Interacting Multiagent Systems

L. Pareschi und G. Toscani: Interacting Multiagent Systems, Oxford University Press, Oxford 2013, 400 S. geb., 55,00 £ ISBN 9780199655465

L. Pareschi und G. Toscani

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Wie entsteht ein Konsens innerhalb einer Gruppe von Individuen? Warum folgt die Vermögensverteilung in einer kapitalistischen Gesellschaft einem Potenzgesetz? Lässt sich das Herdenverhalten an Finanzmärkten mathematisch beschreiben? Die zugrunde liegenden Systeme hinter diesen Fragen haben eines gemeinsam: Sie bestehen jeweils aus einer Vielzahl miteinander wechselwirkender Elemente. Deswegen können Ansätze aus der statistischen Physik und insbesondere der kinetischen Theorie zur Beschreibung der dabei entstehenden komplexen Dynamiken beitragen.
Dementsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass Methoden und Modelle aus der statistischen Physik auch in anderen Disziplinen von der Biologie bis hin zur Soziologie und den Wirtschaftswissenschaften auf großes Interesse stoßen. Das von Lorenzo Pareschi und Guiseppe Toscani verfasste Buch „Interacting Multi­agent Systems“ versucht den Spagat: Einerseits soll Forschern aus den Sozial- und Lebenswissenschaften Überblick über kinetische Modelle und Monte-Carlo-Simulationen vermittelt werden. Andererseits möchte es bereits mit der Theorie vertraute Mathematiker und Physiker für interdisziplinäre Frage­stellungen motivieren.

Folglich teilt sich das Buch auch in einen theoretischen und einen angewandten Teil aus jeweils vier Kapiteln. Mathematisch sauber und kompakt werden in den ersten beiden Kapiteln die fundamentalen Methoden zur Beschreibung kinetischer Modelle eingeführt. Neben der expliziten Vorstellung einiger linearer kinetischer Modelle gehen die Autoren insbesondere auf die Frage ein, wie die Güte der Vorhersagen eines solchen Modells zu bewerten ist. In den beiden folgenden Kapiteln erläutern sie zunächst die allgemeine Idee von Monte-Carlo-Strategien und erklären etwa, worauf bei der Erzeugung von Zufallszahlen zu achten ist. Anschließend richten sie den Fokus speziell auf Monte-Carlo-Methoden für kinetische Gleichungen.

Wegen der Universalität kine­tischer Modelle ist die Liste möglicher Anwendungen für den zweiten Teil sehr lang. Letztlich haben sich die Autoren für Beispiele entschieden, die Sozio-, Ökono- und Biophysikern nicht unbekannt sein dürften. Sie beginnen mit der Beschreibung der Vermögensverteilung vieler westlicher Länder und zeigen, wie sich das stationäre Verteilungsprofil durch den paarweisen Austausch von Gütern und Leistungen erklären lässt. Dabei gehen sie auch auf Spezialfälle wie Steuerpolitik oder etwa das Schrumpfen einer kaufkräftigen Mittelschicht ein. In weiteren Kapiteln werden ebenso ausführlich Modelle zu Meinungsdynamiken innerhalb einer Gesellschaft, Turbulenzen auf Finanzmärkten und die Mutation von Genen vorgestellt.

Insgesamt sind Umfang und Beispiele gut gewählt und das Material wird formal sauber vermittelt. Auch wenn einige fachspezifische Standardmodelle nicht in voller Tiefe besprochen werden, findet der Leser einen kompakten Überblick über die Theorie und Anwendung kinetischer Modelle in den verschiedensten Forschungsbereichen.

Matthias Leiss, ETH Zürich, Chair of Sociology, in particular of Modeling and Simulation

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