24.06.2010

J. Robert Oppenheimer

K. Bird und M. J. Sherwin: J. Robert Oppenheimer. Propyläen, Berlin 2009, 672 S., geb., ISBN 9783549073582

Bird, K. und Sherwin, M. J.

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Er zählte zu den einflussreichsten Wissenschaftlern des 20. Jahrhunderts, auch wenn er nicht als „großer Physiker“ gilt und seine Veröffentlichungen zur theoretischen Physik meist in Ansätzen stecken blieben. Als solche waren sie zwar glänzend, doch letztlich nicht mehr als „kleine Aperçus“. Im Laufe der letzten Jahre sind etwa ein halbes Dutzend Biografien über den „Vater der Atombombe“ erschienen. Dem Autorenduo gelingt es von allen am besten, Licht auf die vielschichtigen Hintergründe seiner Vita zu werfen.

Aufgewachsen in New York, in einer wohlhabenden jüdischen Familie deutscher Herkunft, übersprang der hochbegabte Oppenheimer mehrere Schulklassen, studierte in Harvard und Cambridge und promovierte 1927 bei Max Born in Göttingen, wo er allerdings mehr Zeuge als Teilnehmer der gerade stattfindenden Quantenrevolution war. Zurück in den USA baute er Berkeley zu einem Zentrum für theoretische Physik aus. In Los Alamos bewies er sein Talent als Wissenschaftsorganisator. Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte er sich immer mehr zum Wissenschaftspolitiker, scheiterte jedoch mit seinem Versuch, Washingtons wachsenden Sicherheitsapparat von innen her zu einer Politik der größeren Offenheit zu bewegen. Auch wenn er von seinen Kollegen wegen seines schwierigen Charakters mehr geachtet als geliebt wurde, avancierte er nach seiner erniedrigenden wissenschaftspoli-tischen „Exkommunizierung“ 1954 für viele zum Märtyrer.

Das Buch überzeugt in der Analyse der psychologischen Abgründe des intellektuell ebenso brillanten wie exzentrischen Kettenrauchers, der oft depressiv war, sich mit Selbstmordgedanken trug und selbst fast zwei Menschen umbrachte. Überzeugend legen die Autoren dar, wie ein theoretischer Physiker ohne Verwaltungserfahrung und mit zweifelhaftem politischen Hintergrund wissenschaftlicher Leiter eines Atombombenprojekts werden konnte. Sie zeigen, dass sein Beitrag zum Bau der Bombe neben dem Vorschlag, auch die Thermodiffusion zur Urananreicherung zu verwenden, vor allem in seiner motivierenden Präsenz bestand.

Ein Schwerpunkt des Buches befasst sich mit der „unblutigen Kreuzigung“ Oppenheimers vor dem Atomenergieausschuss. Die Autoren haben herausgearbeitet, welche unrühmliche und treibende Rolle der Vorsitzende der Atomenergiekommission, Lewis Strauss, hinter den Kulissen dieser Inquisition hatte.

Die wenigen Übersetzungsfehler trüben den Lesegenuss nicht wesentlich, doch vermisst man eine ausführlichere Darstellung der wissenschaftlichen Verdienste Oppenheimers, z. B. seine Arbeiten zur Schauertheorie und zu Mesonen. Auch eine Liste seiner Veröffentlichungen sollte bei einer hervorragenden Biografie dieses Formats nicht fehlen.

Dr. Michael Schaaf, Deutsche Internationale Schule Johannesburg

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