24.06.2003

Klimawechsel. Von der fossilen zur solaren Kultur

Amery u. Scheer


Von C. Amery u. H. Scheer. Verlag Antje Kunstmann, München 2001. 144 S., Paper back, V 10,12. ISBN 3-88897-266-3

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Buch reizt zum Widerspruch, obwohl der Rezen sent die vorgebrachten Thesen weitgehend teilt und wie die Diskutanten davon überzeugt ist, dass ein Einstieg in die solare Energiewirtschaft viele der heute greifbaren Nachhaltigkeitsdefizite der Energieversorgung beseitigen und längerfristig in eine hundertprozentige solare Versorgung münden kann. Die zwei wesentlichen Fehleinschätzungen der etablierten Energiestrategen sind klar herausgearbeitet und werden griffig, teilweise scharfzüngig, und immer sehr konkret von verschiedenen Seiten beleuchtet: Zum einen ist das der Versuch, die Klima- und Engpassprobleme durch Fortführung konventioneller Technologielinien ("inhärent sicherer Reaktor, CO 2-Rückführung, Fusionsreaktor") innerhalb der etablierten Strukturen lösen zu wollen - bestenfalls versehen mit etwas Energieeffizienz und ein wenig "additiver" Solarenergie. Zum andern ist es der Glaube, dass Zukunftsgestaltung im Bereich der Energieversorgung sich in der kurzsichtigen betriebswirtschaftlichen Optimierung von Energie systemen erschöpft und wir uns ökologisch verträglichere, aber aus heutiger Sicht "zu teure" Technologien nicht leisten könnten. Auch die aus diesem strukturkonservativen Denken resultierende Skepsis vieler Energietechniker und -wirtschaftler gegenüber den solaren Technologien und das permanente Kleinreden ihrer Leis tungsfähigkeit wird an vielen Stellen des Buches belegt. Und schließlich wird in der Diskussion sehr deutlich, dass ein Technologiewechsel von fossiler/nu klearer zu solarer Energie sehr viel mit Machtwechsel zu tun hat und daher nicht konfliktfrei ablaufen wird. In der Kritik und der Diagnose ist das Buch erfrischend, schnörkellos und eindeutig.

Wer jedoch in der Analyse der Zustände ins Schwarze trifft, hat nicht automatisch in allem recht, was er als Therapie vorschlägt. Und da ist Widerspruch an einigen Punkten angebracht: Gegen die Gefahr der "Eindimensionalität" sind auch die beiden Diskutanten nicht immun. Sonst würden sie nicht mehrfach technologisch zu simple Festlegungen treffen, wie "die Revolution bei der Solar energie ist ihre Einfachheit" oder "dezentral genutzte Solartechnik kann alle Energiebedürfnisse" decken. Den komplexen, hoch innovativen Anlagen und Verfahren zur effizienten Nutzung erneuerbarer Energien wird man damit nicht gerecht, auch nicht den damit verknüpften Chancen für neue Techno logie märkte und Arbeitsplätze. Der Begriff "Dezentralität" wird als Lösungsansatz über betont, "Vernetzung" wäre hier wesentlich zutreffender. Wie viel Solartechnik lokal und wie viel überregional genutzt wird, sollte man der technischen und ökologisch-ökonomischen Optimierung überlassen, ohne die auch eine solare Energiewirtschaft nicht auskommt. Und schließlich: Solarenergienutzung allein macht aus einer Gesellschaft, die sich in vielen Bereichen ändern muss, noch keine bessere Gesellschaft. Man tut der Solartechnologie keinen Gefallen, wenn man ihr diese Hypothek aufbürdet. Trotz der Kritik: Das Buch ist lesenswert. Es fordert zur Auseinandersetzung mit eingefahrenen Denkmustern auf und das ist dringend notwendig.

Dr. Joachim Nitsch, Institut für Technische Thermodynamik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V., Stuttgart

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