04.04.2023

Kompendium der Chronologie

Hans-Ulrich Keller: Kompendium der Chronologie, Kosmos, Stuttgart 2022, 256 S., geb., 34 Euro, ISBN 9783440175859

Hans-Ulrich Keller

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Hans-Ulrich Keller, der Gründungsdirektor des Carl-Zeiss Planetariums Stuttgart und Herausgeber des weitverbreiteten astronomischen Jahrbuchs Himmelsjahr, legt nach einem Kompendium der Astronomie, das im Oktober in der 7. Auflage erscheinen soll, ein weiteres zum Thema Zeit vor. Entstanden ist es aus einer Lehrver­anstaltung zur „Chronologie“ an der Universität Stuttgart.

Keller beginnt sein Buch mit einem kurzweiligen Überblick von Stimmen zum Phänomen der Zeit von Augus­tinus bis Wittgenstein. Daran schließen sich einführende Abschnitte zum Begriff der Zeit und zum Zeitpfeil an. Den eigentlichen Kern des Buchs bilden umfangreiche Kapitel über „Astronomische Methoden der Zeitbestimmung“, „Kalendersysteme“ und „Zeitmessung“: Hier entfaltet sich der Charakter als Kompendium. Das ist wegen der Fülle an Details nicht unbedingt leichte Kost, sondern erfordert an vielen Stellen eine konzentrierte Lektüre. Die wird aber belohnt mit Erkenntnissen, wie der Mensch den Lauf der Zeit strukturiert und nutzbar gemacht hat. Das beinhaltet auch einen instruktiven Überblick über die astronomischen Koordinatensysteme.

Wer genauer verstehen möchte, was es mit Sonne- und Mondjahr, Kalenderreformen, Schalttagen oder den Kalendern anderer Kulturen auf sich hat, wird hier fündig. So erklärt Keller unter anderem die ägyptischen, jüdischen, japanischen, chinesischen und persischen Kalendersysteme. Manches hinterlässt allerdings Fragezeichen: Hatte jede Jahreszeit im alten japanischen Kalender wirklich „24 Perioden zu je 15 Tagen“? Skurril sind der französische und der sowjetische Revolutionskalender, die sich beide sehr bald als unpraktikabel erwiesen.

Kellers Ausführungen sind von einer große Fülle an farbigen Abbildungen, Graphiken und Tabellen begleitet, die vielfach notwendig für das Verständnis sind. Irritierend und verzichtbar ist der Abschnitt „Die Zeit in der Physik“. Zwei Seiten für den relativistischen Zeitbegriff sind zu wenig, und die Ausführungen des Autors zu „Zeitquanten“, die er bereits am Anfang des Buches thematisiert, sind irreführend. Hier verlässt der Autor offensichtlich vertrautes Terrain und erhebt die Quantisierung zu einem nicht näher erläuterten „universellen Prinzip“. Sicher, es gibt Ideen für eine diskrete Zeitentwicklung in der Quanten­mechanik, aber Zeit ist keine Observable, die sich im physikalisch gängigen Sinne quantisieren lässt. Der darauf folgende Abschnitt über „Mehrere Zeitdimensionen?“ verdient zu Recht ein Fragezeichen. Im Wesentlichen geht es darin um die vom amerikanischen Physiker William G. Tifft in den Jahren 1976/77 veröffent­lichte Idee einer „redshift quantization“, die auf Skepsis stieß und sich nicht durchgesetzt hat. Bei den auf Seite 213 erwähnten „Superstrings“ fehlt ein Hinweis auf ihren hypothetischen Status.

Das „Kompendium der Chronologie“ empfiehlt sich vor allem, wenn ein größeres Interesse an den Kernthemen des Buchs besteht, aber eher nicht, wenn es um die Rolle der Zeit in der Physik geht.

Alexander Pawlak

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