Mad about Physics: Braintwisters, Paradoxes, and Curiosities
Jargodzki u. Potter
Von C. P. Jargodzki u. F. Potter. John
Wiley, Chichester 2001. XVI + 304 S., Paper back, ISBN 0-471-56961-5
Kann der Druck in den Kapillaren eines Baumes negative Werte annehmen, wenn doch Vakuum den Druck Null besitzt? Wieso können manche Flugzeuge auch auf dem Rücken fliegen, was der üblichen Erklärung des Fliegens mit Hilfe des Bernoulli-Effekts widerspricht? Kann die Sonne den Mond stehlen? Diese und nahezu vierhundert ähn liche Fragen werden im ersten Teil von Jargodzkis und Potters Buch "Mad about Physics" dem Leser nahe gebracht. Es bleibt aber nicht bei simplen Fragen, sondern es gelingt den Autoren, fragwürdige Situationen und Phänomene zu beschreiben, die eigene Erklärungen herausfordern. Der Zusammenprall von Alltagsvorstellungen und physikalischen Begründungen ist das zentrale Thema dieses Buches. Ihr didaktisches Konzept erklären Jargodzkis und Potters im Vorwort, nämlich die physikalischen Präkonzepte des Lesers zu untergraben, indem Paradoxa eingesetzt werden, die kognitive Dissonanzen erzeugen. Dieser Absicht werden die Autoren jedoch in keinem Fall gerecht, denn statt Paradoxien im eigentlichen Sinne kommen lediglich, aber immerhin Beispiele zum Einsatz, die gegen die Intuition stehen.
Im zweiten Teil des Buches wird ein jedes Phänomen erklärt und auf den Boden der klassischen Physik gesetzt. Dies ist die Stärke des Buches, in kurzen klaren Beschreibungen die physikalisch "richtigen" Erklärungen zu liefern, ohne in den Lehrbuchjargon zu verfallen, dafür unterhaltsam die vielen Facetten der klassischen Theorien zu demonstrieren. Jargodzki und Potter geben zudem zahlreiche Hinweise auf weiterführende Artikel, die zumindest in den USA erreichbar sind (zu 80% in American Journal of Physics und in Physics Teacher).
Leider fehlen dem Buch alle der interessanten Phänomene der modernen Physik des 20. Jahrhunderts, die prädestiniert sind, die angekündigten Braintwisters zu erzeugen. Was die moderne Physik an Paradoxien und Kuriositäten bereithält, davon erfährt der Leser nichts; nichts von den paradoxen Lebens erfahrungen von Zwillingen in einer relativis tischen Welt, nichts von Mikroobjekten, die zwischen Teilchen und Welle unentschieden bleiben. Die spannende Welt nichtlinearer, strukturbildender und selbstorganisierender Systeme, die den Mesokosmos und den Überlapp zur Biologie mit unerwarteten Phäno menen bereichern, bleibt dem Leser ebenso verschlossen wie das Wissen über die verblüffenden und kontraintuitiven Eigenschaften moderner Materialien.
Vielleicht wollten die Autoren nur solche Phänomene darstellen, die bei geringem Vorwissen erklärt werden können. Doch in einem Buch, dass zumindest in zweiter Linie unterhalten soll, müsste nicht jedes kuriose Phänomen bis ins letzte Detail erklärt werden. Auch und gerade ein Phänomen ohne seine Erklärung lässt erstaunen und schafft Interesse. In der vorliegenden Version kann das Buch Schülern und Studenten der ersten Semester helfen, ihre Vorstellungen von den
Konzepten der klassischen Physik zu testen; ich würde mir allerdings einen zweiten Teil mit den aktuellen Braintwistern der Physik wünschen.
Michael Komorek