Max von Laue
Jost Lemmerich: Max von Laue – Furchtlos und treu. Basilisken-Presse, Rangsdorf 2020, geb., 592 S., 68 €, ISBN 9783941365568
Jost Lemmerich
Max von Laue war einer der großen Physiker des 20. Jahrhunderts. Der Lieblingsschüler von Max Planck hat vor allem zur Röntgeninterferenz, Relativitätstheorie und Supraleitung geforscht. Umso mehr verwundert es, dass er erst jetzt mit einer umfangreichen Biographie gewürdigt wird. Diese ist das letzte Werk von Jost Lemmerich (1929 – 2018), der als passionierter Quereinsteiger den Weg in die Wissenschaftsgeschichte gefunden hatte.
Mit der Entdeckung der Interferenzerscheinungen beim Durchgang von Röntgenstrahlen durch Kristalle wies Laue 1912 die Wellennatur der Röntgenstrahlen und die atomare Gitterstruktur von Kristallen nach. Dafür wurde er schon zwei Jahre später mit dem Physik-Nobelpreis geehrt. Für Einstein gehörte Laues Experiment „zum Schönsten, was die Physik erlebt hat“. Wir erfahren in Lemmerichs Biographie, dass Laue kein begnadeter Pädagoge war und unter den Lehrverpflichtungen litt. 1933 verweigerte er seine Unterschrift unter das Treuebekenntnis der Universitätsprofessoren zu Hitler, lehnte es aber ab, offen politisch aktiv zu werden. Dennoch blieb er aufrecht, half jüdischen Wissenschaftlern, lehrte weiterhin Relativitätstheorie und veröffentlichte gemeinsam mit jüdischen Emigranten. Für Schrödinger war er der „mutigste Kerl von allen“ und Einstein lobte ihn dafür, dass er „keine Kompromisse gemacht“ habe. 1957 gehörte Laue zu den Unterzeichnern der Erklärung der Göttinger 18 gegen die atomare Aufrüstung der Bundeswehr.
Über ein Jahrzehnt hatte Lemmerich an seinem Opus Magnum gearbeitet, dessen Erscheinen er nicht mehr erlebt hat. Ausführlich zitiert er aus den Briefwechseln mit Lise Meitner und Laues in die USA emigriertem Sohn. Spannend liest sich auch die Diskussion mit Einstein über die Frage von Schuld und Verantwortung. Der Autor erzählt gefällig und folgt chronologisch den Spuren seines Helden. Leider bleiben dabei Analyse und zeithistorische Kontextualisierung zu oft auf der Strecke. Während er gefühlt jede noch so kleine Veröffentlichung Laues bespricht, erwähnt er z. B. die Münchener „Religionsgespräche“ über die Relativitätstheorie nur in einem Satz. Es fehlt die Erörterung, warum gerade Laue (und nicht z. B. Bothe oder Jensen) 1945 in Farm Hall im Rahmen der Operation Epsilon von den Alliierten interniert wurde. Beziehungen zu Heisenberg und Weizsäcker bleiben unerwähnt, obwohl er mit Letzterem in Göttingen sogar im selben Haus wohnte. Themen und Handlungsstränge enden mitunter abrupt. Hier hätte man sich Übergänge oder Zwischenüberschriften gewünscht. Alles in allem liegt nun eine umfangreiche, durchaus lesenswerte, wenn auch leider keine große Biographie vor.
Dr. Michael Schaaf,
Deutsche Internationale Schule Kapstadt