Nobel Laureates and Twentieth-Century Physics
Dardo
Nobel Laureates and Twentieth-Century Physics
Der Ansatz, eine Physikgeschichte des 20. Jahrhunderts an Hand der Nobelpreisverleihungen zu schreiben, ist verlockend. Schließlich ist es zumindest auf dem Gebiet der Naturwissenschaften weitgehend unumstritten, dass mit den seit 1901 vergebenen Nobelpreisen hervorragende wissenschaftliche Leistungen geehrt wurden, auch wenn die Kandidatenauswahl - wie wir inzwischen aus Archivmaterialien vor 1950 wissen - manchmal etwas ¿seltsame¿ Wege ging. Und so ist ebenso unumstritten, dass so manche Leistung und so mancher hervorragende Wissenschaftler - aus welchen konkreten Gründen auch immer ¿ nicht geehrt wurden. Sich also nur an den Nobelpreisen zu orientieren, schließt zwangsläufig Lücken in der historischen Betrachtung ein.
Dardo folgt jedoch nicht dem schon einige Male praktizierten Versuch, die Nobelpreise zu Fach-Gruppen zusammenzufassen, weil dabei solche Lücken gerade besonders deutlich werden. Er handelt hingegen - nach einleitenden Kapiteln zur Geschichte des Nobelpreises und zur Geschichte der klassischen Physik - die Nobelpreise und Preisträger in zeitlicher Reihenfolge ab und korreliert sie mit wichtigen physikalischen Ergebnissen selbiger Jahre, wobei er in Zehnjahresschritten vorgeht. Damit ergeben sich 10 Kapitel, von denen das letzte bis 2003 reicht. Wenn sachlich notwendig, werden auch die entsprechenden Chemiepreise einbezogen (z.B. 1908 Rutherford). Aber auch dieses Vorgehen hat seine Tücken. So muss sehr viel mit Vor- und Rückverweisen gearbeitet werden (entsprechende Seitenverweise sind jeweils angegeben). So wird z.B. für das Jahr 1905 Lenards Kathodenstrahlarbeit mit entsprechenden Rückgriffen auf die 1890er-Jahre über eine Seite abgehandelt, andererseits Einsteins annus mirabilis (sicher zu Recht) über zehn Seiten. Zum Jahr 1916 (kein Nobelpreis) finden sich längere Ausführungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie. Wenn dann für 1921 Einsteins Nobelpreis erörtert wird, muss man einerseits hieran anknüpfen, andererseits folgt erst jetzt auch eine Kurzbiographie. Für 1921 wird des Weiteren als wichtiges physikalisches Ereignis das Stern-Gerlach-Experiment behandelt, auf das dann 1943 bei der Verleihung des Nobelpreises an Otto Stern entsprechend zurückgegriffen werden muss; usw. Der Text wirkt deshalb sehr inhomogen. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass Zitate, Anekdoten, physikalische Erklärungen, historische Zusammenhänge und biographische Angaben recht schlagartig aneinandergehängt werden.
Trotz dieser grundsätzlichen kritischen Bemerkung ist das Buch für jemanden, der mit der Physikgeschichte einigermaßen vertraut ist, durchaus anregend. Ein weniger damit vertrauter Leser dürfte jedoch seine Schwierigkeiten haben und eher etwas verwirrt werden. Vielleicht hätte eine andere (farbliche?) Layout-Gestaltung die "Lesbarkeit" stark verbessern können. Inhaltlich ist dagegen wenig zu bemängeln, und die Anforderungen sind im besten Sinne populärwissenschaftlich. Glossar, Anmerkungsapparat und Register ergänzen den Band. Der Rezensent ist sich durchaus etwas unsicher, welche Empfehlung er aussprechen soll, hat das Buch aber selbst mit Interesse und Gewinn gelesen.
Prof. Dr. Horst Kant, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
Weitere Infos:
M. Dardo: Nobel Laureates and Twentieth-Century Physics
Cambridge University Press 2004, 546 S., Paperback,
ISBN 0-521-54008-9