20.04.2007

On Physics and Philosophy

d'Espagnat, B.

Bernard d’Espagnat, Teilchenphysiker und einer der bedeutendsten Spezialisten in der Quantentheorie, beabsichtigt, in diesem Buch die ursprüngliche Bindung zwischen Physik und Philosophie wiederherzustellen. Die Begriffsaufklärungen der Philosophie erweisen sich für d’Espagnat als unerlässlich, wenn man die Deutungsprobleme der Quantenmechanik lösen will. Umgekehrt müssten die philosophischen Erkenntnistheorien unbedingt aufgrund der heutigen Physik neubewertet werden.
Infolgedessen besteht das Buch aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden die neuesten Forschritte für das Verständnis der Quantentheorie mit klaren Worten und fast ohne Mathematik dargestellt. Insbesondere werden die wichtigsten theoretischen Entwicklungen (Bell-Theorem, Dekohärenztheorie etc.) sowie die unterschiedlichen Deutungen der Quantentheorie (z. B. Everett, Broglie-Bohm) diskutiert. Dazu schlägt d’Espagnat sehr nützliche Begriffsklärungen vor. So unterscheidet er zwischen „starker Objektivität“ (wenn eine Aussage über ein Objekt sich auf kein Subjekt bezieht) und „schwacher Objektivität“ (wenn eine Aussage über ein Objekt für alle Subjekte wahr ist). Um das Messproblem (das Hauptproblem der Quantenmechanik) zu vermeiden, soll man den Aussagen über die Messereignisse nur eine schwache Objektivität zuweisen. Sie geben uns keine Erkenntnis über die (vom Menschen) „unabhängige Realität“.
Im zweiten Teil werden verschiedene Erkenntnistheorien (Empirismus, Kantianismus,...) mit den philosophischen Folgen der Quantentheorie konfrontiert. Dabei hebt d’Espagnat hervor, dass der Materialismus nicht mehr ernst genommen werden kann. Die Quantenmechanik impliziert nämlich, dass sich der Begriff eines materiellen Objekts (mit Eigenschaften, die unabhängig von seiner Umgebung sind) nicht mehr auf die Wirklichkeit anwenden lässt. Der Autor argumentiert ebenfalls, dass Kants Behauptung, das „Ding an sich“ sei unerreichbar, jetzt durch die „Inseparabilität“ in der Quantentheorie einen wissenschaftlichen Beweis erhält.
Im Laufe des Buches plädiert d’Espagnat für eine nuancierte Deutung der Quantenmechanik. Diese ist für ihn keine „deskriptive“ Theorie der unabhängigen Realität. Ihr Kern besteht in einem Satz von Regeln, die es ermöglichen, Messergebnisse vorherzusagen. Das bedeutet nicht, dass der Begriff einer unabhängigen Realität irrelevant ist. Was man darüber feststellen kann, bleibt jedoch nur negativ: Zu bestimmten Theorien wie lokalen (im starken Sinn) objektiven Theorien sagt diese Realität „nein“. Demnach spricht d’Espagnat von einer Realität, die nicht vollständig unerreichbar, sondern nur „verschleiert“ ist.

Dr. Manuel Bächtold, Uni Dortmund


B. d’Espagnat: On Physics and Philosophy
Princeton University Press, 2006, 552 S., geb.

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