Pattern Formation and Dynamics in Nonequilibrium Systems
Cross, M. und Greenside, H.
Selbstorganisierte räumliche Strukturen in offenen, getriebenen, dissipativen Systemen sind von immenser Bedeutung für ein umfassendes Naturverständnis. Wasserwellen, Konvektionszellen im Innern der Erde oder Stromfilamente in elektrischen Entladungssystemen sind nur einige Beispiele. Außerordentlich komplexe Strukturen findet man in der Biosphäre. Gewöhnlich stellt sich in diesen Systemen ein Fließgleichgewicht fernab vom thermodynamischen Gleichgewicht ein, und die Antwort auf den Treiber ist hochgradig nichtlinear. Beides trägt wesentlich dazu bei, dass die resultierenden Strukturen bis heute kaum verstanden sind. Das vorliegende Werk ist ein sehr nützlicher Lehrbuchbeitrag zum Stand des Verständnisses dieser Strukturen.
Nach einer anschaulichen Übersicht über die Vielfalt auftretender Strukturen behandeln die Autoren wichtige Grundelemente der theoretischen Beschreibung. Dazu gehört zunächst die Stabilitätsanalyse des stationären homogenen („trivialen“) Zustands. Den Schwerpunkt des Buchs bildet die dann folgende Beschreibung des Handwerkszeugs für die Behandlung nichttrivialer räumlicher, zeitlicher und raum-zeitlicher kleinamplitudiger Strukturen, die bei stetiger Parameteränderung im Wesentlichen stetig aus dem trivialen Zustand herauswachsen (Nähe zu einer „superkritischen Bifurkation“). Defekte in solchen Strukturen werden eben-falls diskutiert. Besondere Berücksichtigung als Modellgleichungen finden dabei die Swift-Hohenberg- und Reaktions-Diffusions-Gleichungen sowie Amplitudengleichungen.
Großamplitudige Strukturen, also solche, die sich weit vom trivialen Zustand entfernt haben, werden etwas stiefmütterlich behandelt. Immerhin widmen sich zwei Kapitel diesem Bereich, eines davon bezieht sich im Wesentlichen auf allgemeine Bemer-kungen und das andere auf „anregbare Medien“. Eine Aufzählung numerischer Verfahren zur Lösung von Evolutionsgleichungen, eine kurze Einführung in die Bifurkationstheorie sowie eine Darstellung der Methode der Skalentrennung runden den Stoff ab.
Das Buch stützt sich stark auf einen Übersichtsartikel von Cross und Hohenberg, der 1993 in der Review of Modern Physics erschienen ist. Leider bleibt wohl auch deshalb manche wichtige neuere Entwicklung unerwähnt. Als Beispiel seien die experimentellen Ergebnisse für dissipative Solitonen in der Gasentladung und in optischen Systemen genannt sowie diesbezügliche neue Konzepte für ein theoretisches Verständnis. Ein anderes Beispiel ist die angemessene Behandlung von Fronten und deren Wechselwirkung. Bei der ansonsten bemerkenswerten Qualität des vorliegenden Werks sind diese Lücken sehr zu bedauern.
Das gut geschriebene Buch stellt einen begrüßenswerten Beitrag auf dem Gebiet der „Nichtlinearen Systeme und Strukturbildung“ dar. Kenntnisse der Konzepte nichtlinearer Systeme mit wenigen Freiheitsgraden werden vorausgesetzt. Literaturhinweise zum dargelegten Stoff sind gründlich ausgewählt und wohltuend begrenzt. Der Stoff ist sehr gut strukturiert und die Übungsaufgaben zum Teil recht originell und anspruchsvoll. Das Werk eignet sich in ausgezeichneter Weise als Ergänzung zur Vorlesung für höhere Semester der Physik und für das Selbststudium.
Prof. Dr. Hans-Georg Purwins, Institut für Angewandte Physik, Universität Münster
M. Cross und H. Greenside: Pattern Formation and Dynamics in Nonequilibrium Systems
Cambridge University Press, Cambridge 2009, 552 S., geb., ISBN 9780521770507