Physics of Atomic Nuclei
V. Zelevinsky und A. Volya: Physics of Atomic Nuclei, Wiley-VCH, Berlin 2017, 667 S., geb., 119 €, ISBN 9783527413508
V. Zelevinsky und A. Volya
Die Grundlagenforschung zum Aufbau der Materie erlebt zurzeit eine rasante Entwicklung. Dieser Fortschritt ist zum einen angetrieben durch Innovationen der theoretischen Beschreibung der Atomkerne, zum anderen ist es gelungen, bisher unbekannte Bereiche der Nuklidkarte an der Grenze der Stabilität experimentell zu erschließen.
Vladimir Zelevinsky und Alexander Volya haben ein neues Lehrbuch zur Physik der Atomkerne vorgelegt, das die moderne Kernphysik von grundlegenden Aspekten bis hin zu aktuellen Fragestellungen ausführlich diskutiert. Das Buch ist modern aufgemacht und richtet sich hauptsächlich an fortgeschrittene Studierende. Die Autoren setzen ein grundlegendes Verständnis der Quantenmechanik voraus. Für weitere Details verweisen sie auf das Lehrbuch zur Quantenmechanik von Zelevinsky.+)
Die Darstellung beginnt mit einleitenden Kapiteln zu den Grundlagen der Kernphysik, von den Bausteinen der Materie und ihren Wechselwirkungen bis zum Deuteron als einfachstem Atomkern. Im weiteren Verlauf werden die wichtigsten Modelle der Kernphysik diskutiert. Dem aktuellen Thema der Halokerne, die extreme Quanteneffekte zeigen, ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Der Formalismus der zweiten Quantisierung wird eingeführt, um die Vielteilchenphysik schwererer Kerne eingehend behandeln zu können. Darauf folgen spezielle Kapitel zu Deformation, Paarbildungseffekten, elektromagnetischen Eigenschaften, Rotationsbanden und kollektiven Anregungen. Weitere fortgeschrittene Kapitel behandeln die Kernspaltung, Schwerionenreaktionen, Diagonalisierungsmethoden und die schwache Wechselwirkung. Hier werden auch die Verbindungen zur Teilchenphysik aufgezeigt. Den Abschluss bildet eine Betrachtung des Atomkerns als chaotisches Quantensystem.
Das Buch deckt alle Aspekte der klassischen Kernphysik und viele aktuelle Themen ab. Einige wichtige neuere Entwicklungen werden aus meiner Sicht allerdings etwas stiefmütterlich behandelt. Dazu gehören effektive Feldtheorien, die Methode der Renormierungsgruppe und die darauf basierenden Wechselwirkungen. Die fruchtbaren Verbindungen zur Physik kalter Atome (z. B. unitäres Fermi-Gas, Efimov-Effekt) und zur nuklearen Astrophysik hätten sich ebenfalls klarer herausarbeiten lassen.
Trotz dieser kleineren Defizite ist mein Fazit sehr positiv. Das Lehrbuch bietet eine umfassende, verständliche und optisch ansprechende Darstellung der Kernphysik aus einer modernen Perspektive und enthält viele anschauliche Beispielrechnungen. Es kann als Grundlage für einen fortgeschrittenen Kurs in theoretischer Kernphysik oder als kompakte Referenz für etablierte Forscher dienen.
Prof. Dr. Hans-Werner Hammer, Institut für Kernphysik – Theoriezentrum, TU Darmstadt