25.05.2005

Quantum Finance

Baaquie

Quantum Finance

Wie viel Quantenphysik braucht eine Bank, in der 'Finanzingenieure' für Investoren maßgeschneiderte Anlageprodukte entwickeln? Überhaupt keine, so dachte man bislang, selbst unter den Physikern, die sich der 'econophysics', der Untersuchung ökonomischer Systeme mit Methoden der Physik verschrieben haben. Der Quantenfeldtheoretiker Belal Baaquie hält mit seinem Buch dagegen. Er nutzt dabei vor allem die Pfadintegrale - übrigens nichts als erster. Denn dieser Formalismus ist nicht nur in der Quantenfeldtheorie (QFT), sondern auch in der Statistischen Physik zu Hause. Und von dort ist der Weg zu den Kursschwankungen an der Börse nicht weit.

Zu Beginn behandelt Baaquie kurz die klassische Theorie von Optionen, die in den anfangs genannten 'Produkten' stecken. Im einfachsten Fall soll etwa eine Kaufoption auf ein Aktie bewerten werden: Nach einer Laufzeit wird dem Halter der Option ein fester Kaufpreis für die Aktie garantiert. Wenn auch etwas verdichtet, führt Baaquie Neuankömmlinge aus der Physik und Mathematik in die relevanten Begriffe der Finanztheorie ein. Die theoretisch versierten Praktiker ohne Physik-Hintergrund lädt er dagegen zu Beginn des zweiten Teils ein, einen Steilkurs in Quantenmechanik zu absolvieren, bis die Black-Scholes-Gleichung (eine zentrale Gleichung in der klassischen Theorie) so aussieht als wäre sie die von Schrödinger. Die weitere Lektüre führt dann zu alternativen Herleitungen bereits bekannter Resultate, z. B. den Preisformeln für exotische Aktienoptionen.

Spannend wird es dort, wo Baaquie die ausgetretenen Pfade verlässt: im dritten Teil, der 'quantum field theory of interest rate models', in dem er sich also vor allem mit nichtlinearen Zinsstrukturmodellen befasst. Dabei geht es um Optionen auf Zinsprodukte. Obschon er klassische Prinzipien wie die (idealisierte) 'Arbitragefreiheit' (das 'thermische Gleichgewicht' der Märkte) nicht beiseite schieben will (im Gegensatz zu Bouchaud), tut er es - stillschweigend - an einigen Stellen doch. So baut er ein bekanntes Zinsstrukturmodell in ein 'quantenmechanisches' um, das dem harmonischen Oszillator ähnlich ist. Dieses ist aber nicht arbitragefrei, d. h. es gäbe eine Inkonsistenz zwischen der Bewertung von Anleihen und Anleihe-Optionen. Der Einsatz technischer Tricks in zu enger Anlehnung an die QFT ohne ökonomische Rechtfertigung bleibt auch an anderen Stellen zumindest diskussionswürdig.

Dennoch ist das Buch eine sehr anregende Lektüre und wird hoffentlich Diskussionen vor allem unter Physikern aus der Praxis auslösen. Es ist überwiegend konzeptionell, auf die Modelle hin, orientiert, obschon auch Fragen der numerischen Implementierung und Kalibrierung berührt werden. Der große Test von Baaquies Buchs wird sein, ob die 'financial engineers' demnächst auf die Quanten setzen.

Dr. Matthias Otto, Göttingen


B. E. Baaquie: Quantum Finance
Cambridge University Press, 2004,
332 S., Geb.,
ISBN 0521840457


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