06.02.2013

Sechs mögliche Welten der Quanten­mechanik

John S. Bell: Sechs mögliche Welten der Quantenmechanik, Oldenbourg, München 2012, 302 S., brosch., 59,80 €, ISBN 9783486713893

John S. Bell

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Die Aufsätze von John Bell (1928 – 1990) zu den problematischen Aspekten der Grundlagen der Quantenmechanik und dem potenziellen Konflikt zwischen ihr und der speziellen Relativitätstheorie zählen noch immer zu den klarsten und treffendsten auf dem Gebiet. Eine erste Sammlung von Aufsätzen hat Bell 1987 (auf Englisch) publiziert. 14 Jahre nach seinem Tod erschien die Sammlung neu, erweitert um drei Aufsätze sowie ein Vorwort von Alain Aspect. Diese liegt nun zum ersten Mal in einer deutschen Übersetzung (durch Wolfgang Köhler aus Potsdam) vor.

Angesichts der großen Bedeutung von Bells Aufsätzen ist es nur zu begrüßen, dass sie jetzt auch einem deutschen Publikum leicht zugänglich sind. Aber auch für diejenigen, welche die englischen Arbeiten bereits kennen, kann die deutsche Übersetzung die eine oder andere Nuance in Bells Gedanken wieder klarer vor Augen führen oder neue Assoziationen wecken.

Das zentrale Ergebnis in Bells Arbeiten ist die Herleitung der Ungleichung, die er manchmal „Lokalitätsungleichung“ und der Rest der Welt ganz einfach die „Bellsche Ungleichung“ nennt. Weil sie durch empirische Daten verletzt ist, wissen wir, dass wir die entsprechenden Phänomene nur durch nichtlokal kausale Theorien beschreiben können. Die Standard-Quantenmechanik kann deshalb keine lokal kausale Theorie sein; genau so wenig wie die alternativen Quantentheorien von David Bohm oder Gian Carlo Ghirardi, Alberto Rimini und Tullio Weber (GRW).

Die physikalische (oder gar metaphysische) Interpretation nicht lokal kausaler Theorien ist bis heute umstritten und wird teilweise hitzig debattiert. Man erinnere sich nur an das Symposium „The Concept of Reality in Physics“ bei der DPG-Frühjahrstagung 2011 in Dresden, wo die Philosophen Tim Maudlin und David Albert ihre argumentativen Klingen mit den Physikern Anton Zeilinger, Alain Aspect und Anthony Leggett kreuzten.

Im Unterschied zum englischen Original besitzt die deutsche Übersetzung einen hilfreichen Index und einige nützliche Internet-Links. An ein paar Stellen hätte ich mir gewünscht, dass der Übersetzer deutlicher markiert hätte, welches seine eigenen Anmerkungen oder Zusätze sind. Auch hat sich der eine oder andere Druckfehler eingeschlichen, und einige Passagen mögen etwas holprig daherkommen. Doch auch solche Passagen geben den Inhalt und die beabsichtigte Bedeutung in Bells Aufsätzen hinreichend klar wieder.

Ich empfehle allen, die an den Grundlagen der Quantenmechanik interessiert sind, die deutsche Übersetzung von Bells Aufsätzen zum Anlass zu nehmen, sich wieder (oder endlich einmal) diese anregende Lektüre zu Gemüte zu führen.

Dr. Adrian Wüthrich,
Universität Bern, Schweiz, und Technische Universität, Berlin

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