29.12.2008

Smart Structures

Wadhawan, V. K.

Unter „smart materials“ versteht man Werkstoffe, die drei Anforderungen genügen: Sie können auf äußere Reize reagieren, sie sind in der Lage, über bestimmte Wege Kräfte zu leisten, und es ist im Prinzip möglich, eine Rückkopplung über den jeweiligen Zustand des Materials zu erhalten. Smart materials, die z. B. als Aktoren und Sensoren zum Einsatz kommen, stellen eines von mehreren Unterthemen des Buches des indischen Physiker Vinod Wadhawan dar, der am Bhabha Atomic Research Centre im indischen Mumbai forscht.
Man benötigt smart materials für smart structures. Darunter versteht Vinod Wadhawan technische Systeme, die in sinnvoller Weise selbstständig darauf reagieren, wenn sich die Umwelt oder ihr eigener Zustand ändert. Als Beispiel dafür führt der Autor eine Brücke mit optischen Fasersensoren an. Diese liefern Daten zur mechanischen Integrität der Brücke, die sich mithilfe geeigneter Überwachungssysteme auswerten lassen. Der Aufwand dafür ist verhältnismäßig niedrig und kann sich durch erhebliche Kostenersparnis wegen einfacherer Wartung und größerer Sicherheit lohnen.
Doch dieses Beispiel steht nur am Beginn eines Buches, in dem es um viel mehr geht. Es behandelt Themen wie die Selbstorga-nisation von Materie, Biomimetik, menschliche Intelligenz, Mikro- und Nanoelektronik, intelligente Maschinen und nicht zuletzt anorganisches Leben. Der Autor sympathisiert dabei durchaus mit den Überlegungen des Science Fiction-Autors Isaac Asimov, der uns denkende Roboter näher gebracht hat. Und er beschreibt ein Zukunftsszenario, in dem sich durch extrem hohe Computer-leistung zusammen mit nanotechnologischen Sensor- und Aktorwerkstoffen Systeme realisieren lassen, bei denen die Grenzen zwischen Physik, Chemie, Biologie und Werkstoffwissenschaften zwangsläufig verschwimmen. Trotz teilweise reißerischer Überschriften liefert der Autor eine kompetente Übersicht über die verschiedenen Bereiche seines interdisziplinären Fachgebiets. Er fordert neue, fächerübergreifende Strukturen für Lehre und Forschung, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
Wadhawan legt sein Buch breit an und verzichtet ganz bewusst auf Details. Ich selbst arbeite auf dem Gebiet der Formgedächtnistechnik. Beim Durcharbeiten des entsprechenden Unterkapitels im Kapitel Ferroische Materialien war ich allerdings enttäuscht, wie wenig man dort über Formgedächtniswerkstoffe erfahren kann. Die grundlegenden Phänomene werden zwar erläutert, aber über die aktuellen materialwissenschaftlichen Fortschritte findet man wenig Konkretes. Dafür gibt der Autor wichtige und aktuelle Hinweise auf weiterführende Literatur. Und er behandelt eine Vielzahl anderer Materialien, die für smarte Systeme eine Rolle spielen: piezoelektrische Materialien, magnetische Funktionswerkstoffe, Formgedächtniskeramiken und -polymere sowie Ver-bundsysteme. Es sind vor allem die umfassenden Literaturangaben am Ende der Kapitel, die dieses Buch von einem rein populär-wissenschaftlichen Buch unterscheiden.
Beim Bewerten aller vom Autor angedachten Entwicklungen ist sicher an einigen Stellen Vorsicht geboten. Doch wer wollte be-zweifeln, dass es in Zukunft vermehrt smarte Systeme geben wird, die uns langweilige und schwierige Arbeiten abnehmen können? Nicht zuletzt versprechen die möglichen Entwicklungen ein riesiges Marktpotenzial. Schon deshalb lohnt die Beschäftigung mit diesem Thema. Als Einführung in ein anspruchsvolles, interdisziplinäres Gebiet, das mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Natur- und Ingenieurwissenschaften weiter an Bedeutung gewinnen wird, und als erste Hinweisquelle auf weiterführende Literatur kann ich das Buch empfehlen.
Prof. Dr. Gunter Eggeler, Lehrstuhl Werkstoffwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

V. K. Wadhawan: Smart Structures - Blurring the Distinction Between the Living and the Nonliving
Oxford Scientific Publications, Oxford 2007, 352 S., geb., ISBN 9780199229178

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