24.06.2003

Strange Beauty. Murray Gell-Mann and the Revolution in Twentieth-Century Physics

Von G. Johnson. Vintage, London 2001. 448 S., Paperback, ISBN 0679756884

Johnson

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Es ist aus verschiedenen Gründen nicht einfach, die Biografie einer noch lebenden Person zu schreiben. Zum einen ist das Werk noch nicht abgeschlossen, und es ist zuweilen nicht klar, welche Ideen dauerhaft Bestand haben und welche sich letztendlich nur als vorläufig erweisen werden. Zum anderen mag ein unvoreingenommener Blick auf die betreffende Person durch einen möglicherweise zu engen Kontakt mit dem Autor verzerrt werden. Im Fall von Murray Gell-Mann kommt noch erschwerend hinzu, dass dieser oft in Konflikte verschiedenster Art verstrickt ist und mit denjenigen, die seine Leistungen verkennen, nicht gerade zimperlich umgeht. Und doch ist George Johnson, Wissenschaftsredakteur bei der New York Times, ein großartiges Buch gelungen. Das liegt auch an seiner nach einigem Zögern zu Stande gekommenen Kooperation mit Gell-Mann.

Gell-Manns vielfältige Beiträge zur Physik sind hinreichend bekannt. Erwähnt werden soll hier nur das Quark-Modell, mit dem es Gell-Mann gelang, Ordnung in den "Teilchenzoo" zu bringen. Der Leser erfährt allerlei über die Hintergründe dieser und anderer Entdeckungen, den wahren Ursprung des Wortes "Quark" und Gell-Manns wechselnde Auffassungen bezüglich der Realität von Quarks. Wie kaum ein anderer hat Gell-Mann über zwei Jahrzehnte die Themen der Teilchenphysik vorgegeben. All das beschreibt Johnson auf elegante und kompetente Weise, und so ist das vorliegende Buch zugleich die unterhaltsame Geschichte der vielleicht bedeutendsten physikalischen Teildisziplin der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Viele der Arbeiten Gell-Manns entstanden in Zusammenarbeit mit anderen. Einer davon war sein langjähriger Caltech-Kollege Richard Feynman. Die Rivalität zwischen den beiden ist legendär und hat sicher mit deren sehr verschiedenen Charakteren zu tun. Es gab aber auch große Unterschiede im Hinblick auf die jeweiligen intellektuellen Interessen. Während Feynmans Neugierde fast ausschließlich auf die Physik zielte, begeisterte sich Gell-Mann von Kindheit an für nahezu alles, von der belebten Natur über Sprachen bis hin zur Archäologie. Leider lässt Johnsons Buch offen, wie genau Gell-Manns Geist arbeitet. Man liest von schwierigen Problemen, deren genialen Lösungen und großen Gedächtnisleistungen, erfährt aber bedauerlicherweise nahezu nichts über die dazu verwendeten Heuristiken. Stattdessen liest man viel über Gell-Manns private Enttäuschungen und Niederlagen, seine Konflikte mit Kollegen, seine Reisen und sein Engagement für die Umwelt.

Mitte der Achzigerjahre wechselte Gell-Mann sein Arbeitsgebiet. Er half bei der Gründung des interdisziplinären Santa Fe Institutes in New Mexico und widmete sich von nun an vornehmlich der Erforschung komplexer Systeme. In diesem Zusammenhang entstand der Bestseller "Das Quark und der Jaguar", dessen mühsame Entstehungsgeschichte ausführlich beschrieben wird. In diesem Buch behandelt Gell-Mann das Verhältnis vom Einfachen zum Komplexen und vertritt dabei zuweilen recht kontroverse Positionen, über deren Bewertung man gerne mehr lesen würde. Vielleicht geschieht dies in einer künftigen Auflage von Johnsons empfehlenswertem Buch.
Dr. Stephan Hartmann, Fachbereich Philosophie, Universität Konstanz

 

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