Supraleitung, Suprafluidität und Kondensate
James F. Annett: Supraleitung, Suprafluidität und Kondensate, Oldenbourg, München 2011, 252 S., brosch., 44,80 Euro, ISBN 9783486705409
James F. Annett
Wie können Ströme in supraleitenden Ringen über Jahre ohne messbare Abschwächung fließen? Auch hundert Jahre nach seiner Entdeckung gehört der supraleitende Zustand zu den faszinierendsten Vielteilchenphänomenen. Suprafluidität und die erst 1995 in ultrakalten atomaren Gasen realisierte Bose-Einstein-Kondensation stellen eng verwandte makroskopische Quantenphänomene dar, die wie die Supraleitung selbst auch heute noch im Zentrum der Forschung stehen.
Eine gut lesbare Einführung in diese Themengebiete gibt das Buch von James F. Annett, das erstmals 2004 in englischer Sprache erschienen ist. Es basiert auf seinen Vorlesungen an der University of Bristol. Vorausgesetzt werden vor allem Kenntnisse der Quantenmechanik und Statistischen Physik – das vielleicht schwierigste mathematische Konzept, das nicht weiter erläutert wird, ist die Verwendung von Lagrangeschen Multiplikatoren.
Das Buch von Annett ist klar strukturiert und beginnt mit einer elementaren Diskussion der Bose-Einstein-Kondensation, auf die ein Kapitel zur Suprafluidität in Helium-4 folgt. Ausgehend von einfachen experimentellen Beobachtungen wie dem verschwindenden Widerstand in Supraleitern, dem Meißner-Ochsenfeld-Effekt oder dem Auftreten von Vortices in Typ-II-Supraleitern diskutiert Annett dann die London-Theorie, die bereits all diese Phänomene beschreibt. Die wohl bedeutendste Theorie, die nicht nach den mikroskopischen Details fragt und stattdessen auf Symmetrieargumenten basiert, ist die Ginzburg-Landau-Theorie der Supraleitung. Auch diese wird Schritt für Schritt hergeleitet und zur Erklärung verschiedener physikalischer Phänomene herangezogen. Wie in einer guten Vorlesung leitet Annett z. B. bei der Untersuchung des Abrikosov-Flussgitters nicht alle Details her, diskutiert aber doch alle Ergebnisse ausführlich.
Zentrale Konzepte wie kohärente Zustände und das Auftreten von außerdiagonaler langreichweitiger Ordnung führt der Autor zunächst unabhängig von der BCS-Theorie ein und greift sie dann in dem Kapitel über die BCS-Theorie wieder auf. Ein abschließendes Kapitel diskutiert kurz Suprafluidität in Helium-3 und unkonventionelle Supraleiter. Sehr hilfreich ist das kommentierte Literaturverzeichnis (Stand: 2003). Störend sind Tippfehler und einige ungewöhnliche Übersetzungen. Die als vorgeschlagen erwähnten Mikrogravitationsexperimente zu kritischen Exponenten am suprafluiden Phasenübergang von He-4 wurden schon in den 90er-Jahren an Bord des Space Shuttle durchgeführt.
Insgesamt ist Annett eine sehr schöne Einführung in die Physik der Suprafluidität und Supraleitung gelungen, wobei er auch das Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation mit betrachtet und alle Themengebiete gut miteinander vernetzt. Das Buch zeichnet sich durch überzeugende Erklärungen aus, verdeutlicht durch viele Abbildungen. Darüber hinaus gibt es Übungsaufgaben, deren Lösungen sich zum Teil im Anhang finden. Gerade Studierenden nach dem Grundstudium kann ich das Buch wirklich empfehlen.
Jun.-Prof. Dr. Lorenz Bartosch, Institut für Theoretische Physik, Universität Frankfurt