18.09.2003

The Collected Papers of Albert Einstein, Band 8, Albert Through the Looking-Glass

R. Schulmann et al. (Hrsg.), The Collected Papers of Albert Einstein, Band 8, Princeton University Press, Princeton 1998. XXVIII + 1118 S., ISBN 0691048495; Z. Rosenkranz (hrsg.), Albert Through the Looking-Glass, The Jewish National & University Library,

Schulmann, Kox, Janssen, Illy

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"Eine so interessante Korrespondenz habe ich noch nicht erlebt. Sie sollten sehen, wie ich mich immer auf ihre Briefe freue." Dies liest man in einem Brief Einsteins an den italienischen Mathematiker Tullio Levi-Civita vom April 1915 und dies könnte auch als Motto für den vorliegenden Briefwechsel Einsteins der Jahre 1914 bis 1918 gelten. Neben seinem "annus mirabilis" 1905 zählen diese Jahre sicherlich zu den ereignisreichsten in Einsteins Leben - wissenschaftlich sind sie durch den erfolgreichen Abschluss der Allgemeinen Relativitätstheorie gekennzeichnet, persönlich werden sie von der Übersiedlung nach Berlin, der Trennung von seiner ersten Frau Mileva und der zweiten Ehe mit der Berliner Cousine Elsa geprägt und politisch umfassen sie schließlich die Jahre des ersten Weltkriegs und den Untergang des deutschen Kaiserreichs.

All diese Ereignisse spiegeln sich auf mannigfache Art und Weise in der Einsteinschen Korrespondenz, die das Bild des glänzenden und witzigen Briefschreibers zwar bestätigt, indes mit manch anderer Legende des tradierten Einstein-Bildes gründlich aufräumt. So passt der suchende und sich auch gründlich irrende Gelehrte, wie er uns beispielsweise in den Briefen mit Levi-Civita oder anderen Fachkollegen entgegentritt, zwar noch sehr gut in dieses Bild, doch die Umstände, wie Einstein seine Scheidung und sein Verhältnis zur Familie regelte, zeigen alles andere als einen gütigen, selbstlosen und weltentrückten Weisen, sondern zeugen durchaus von ausgeprägter Herzlosigkeit und Egoismus. Bezeichnend seine Bedingungen für ein weiteres Zusammenleben mit Mileva vom Juli 1914 (S. 44) und geradezu sensationell die Tatsache, dass er beinahe nicht Elsa, sondern deren Tochter Ilse geheiratet hätte (S. 769.) In dieses Bild des "Bigamisten" Albert Einstein passen dann auch die immer wieder in der Einsteinliteratur kolportierten Geschichten über seinen ausgeprägten Hang zum schwachen Geschlecht.

Ähnlich differenziert fällt das Bild des "politischen Menschen" aus. Einstein hat sich zwar als einer der wenigen deutschen Gelehrten im Sommer 1914 dem allgemeinen Nationalismus und Chauvinismus nicht angeschlossen und im November 1918 die Abdankung des deutschen Kaisers mit den Worten kommentiert: "Ich bin sehr glücklich über die Entwicklung der Sache. Jetzt wird mir erst recht wohl hier ... Unter den Akademikern bin ich so eine Art Obersozi." (S. 944) Dennoch haben ihn solche Haltungen nicht davon abhalten können, sich während des Krieges mit Forschungsproblemen (Kreiselkompass, Luftfahrttechnik) zu beschäftigen, deren militärtechnische Anwendungen auf der Hand lagen (vgl. die Korrespondenz mit H. Anschütz-Kaempfe oder R. Wankmüller).

Damit dokumentiert der vorliegende Briefwechsel, dass jene dezidiert politische Haltung Einsteins, die ihn in der Einsteinliteratur zum konsequenten Pazifisten und politischen Helden macht, sich wohl erst in späterer Zeit und unter dem Einfluss seiner großen Berühmtheit entwickelt hat. Insofern liegt mit den beiden neuen Teilbänden der gesammelten Werke Einsteins eine wirklich interessante Korrespondenz vor, bei der die Lektüre fast jeden Briefes tatsächlich Freude und Interesse hervorruft. Zu letzterem haben im Übrigen nicht nur Einstein und seine Briefpartner beigetragen, sondern auch die Editoren der Bände, die die Briefe sorgfältig kommentiert und ediert haben.

Wer nicht so sehr an einzelnen Details und Differenzierungen interessiert ist, sich vielmehr schnell und umfassend über Einsteins Leben und Werk informieren möchte, dem sei, der Bildband "Albert through the Looking Glass" empfohlen. Mit seinen Fotos und Faksimilies vermittelt dieser Band zudem einen Eindruck von den Schätzen, die sich im Jerusalemer Einstein-Archiv befinden und sicherlich - wie der obige Briefwechsel zeigt - noch manche wissenschaftshistorische Überraschung zu Tage fördern werden.
Dr. Dieter Hoffmann,
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Berlin
 

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